Ich dachte es wäre nun vielleicht doch mal an der Zeit mit dem anzufangen, was ich langlang zuvor angekündigt hab. Euch mit der Nase auf einige viel zu wenig beachtete und bisweilen schwer in die Griffel zu kriegenden Filme aus good old Israel zu stupsen.
Also: let's stups...
Einige der klügsten Filme, die man aus Israel sehen kann stammen von Avi Mograbi, dessen Filme vor allem der späten 90er Jahre und frühen 2000er Jahre überhaupt zu den besten Mischformen aus Dokumentarfilm gehören, die ich kenne.
Die drei Filme aus dieser Zeit "How I Learned to Overcome My Fear and Love Arik Sharon" von 1997, "Happy Birthday, Mr. Mograbi" von 1999 und "August" von 2002 sind neuerdings alle auf einer DVD-Komplilation von arte erschienen und damit erstmals nicht nur direkt von Avi zu kaufen.
Die Filme sind alle so aufgebaut, dass Elemente von Footage, das Mograbi im Rahmen seiner Arbeit für das israelische Fernsehen bzw. Alltagsaufnahmen, die extra für den Film gemacht wurden mit Szenen gemischt und konfrontiert werden, die Mograbi als One-Man-Schauspielteam bestreitet.
How I learned to overcome my fear and love Arik Sharon
In "How I learned to overcome my fear and love Arik Sharon" entsteht dabei ein Bericht über Mograbis Versuch als linker politischer Filmemacher einen Film über den Mann zu machen, der ihn sein ganzes Leben lang begleitet hat und dieses bisweilen sogar entscheidend beeinflusst hat - einen Film über Sharon.
Der Film beeindruckt durch die Ehrlichkeit, mit der er die Veränderungen in der Haltung des Filmemachers zu seinem Gegenüber dokumentiert. Gleichzeitig ist nie klar, was davon Mograbi als Mograbi ist und was Mograbi in seiner Rolle als neutraler Dokumentarfilmer ist.
So kulminert der Film in einem Besuch Mograbis bei einer Wahlkampfveranstaltung des Likud, auf der eine okskure Band umgetextete Coverversionen unter anderem von "No woman, no cry" singt und Mograbi dazu Karaoke-rockt.
Eine ebenso virtuose wie unterhaltsame Reflektion über die Rolle des Dokumentarfilmers. Und gleichzeitig ein ebenso beeindruckendes wie vollkommen subjektives Dokument über die Stimmung in Israel im Wahlkampf nach dem Mord an Rabin.
Happy Birthday, Mr Mograbi
Der zweite Film in dieser "Reihe" ist "Happy Birthday, Mr Mograbi". 1998: Just zum 50jährigen Jubiläum Israels fallen Unabhängigkeitstag und Mograbis Geburtstag zusammen. Zu allem Überfluss ist der Tag auch noch die Deadline für die Übergabe eines Hauses, das Mograbi bauen lässt, aber schon verkauft hat. Ein Haus, das auf Boden steht, der ihm nur teilweise rechtmässig gehört.
Leider hängt der Film an dieser Story, das etwas plump geratene Gegeneinanderschneiden von Szenen mit der Suche nach palästinensischen Siedlungen in Israel und den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten zum Jubiläum der Staatsgründung, auf.
(Beim Thema Spurensuche muss ich im Augenblick immer an den sehr mässigen Route 181 denken, der dass in ganz unerträglicher Weise auch unternimmt... Vielleicht schreib ich ja mal einen ausführlichen Verriss...)
"Happy Birthday..." ist der offen politischste Film dieser Art bisher, denn obwohl er "August" und auch "How I learned to overcome my fear and love Arik Sharon" durchaus ähnelt, gehen die beiden anderen Filme doch eher von einer innerisraelischen Kritik aus, während "Happy Birthday..." seine Kritik aus der Konfrontation der israelischen mit der palästinensischen Geschichte gewinnt. Das ist wie gesagt politisch legitim, führt aber zu einem wenig differenzierten Film.
August: A Moment Before the Eruption
In "August: A Moment Before the Eruption" vertritt Avi Mograbi auf äusserst amüsante Weise die These, dass es schlicht unmöglich sei, nicht den Verstand zu verlieren, sobald in Israel das Kalenderblatt auf den Monat August wandert.
Durchgeknallte Spinner bevölkern die heissen Strassen allerorten, laufen Amok oder folgen schlicht ihrem kruden Beamtenalltag.
Zwischen alledem ein Filmemacher, der erstaunlicherweise ebenfalls Avi Mograbi heisst, und dessen Frau (diese beiden und alle sonstigen Rollen anmutig übernommen von Avi Mograbi).
Der Reiz des Films besteht in seiner Kombination von amateurhaft gedrehter Alltagsdokumentation mit überdrehten Spielszenen. Bisweilen weiss man nicht, was unglaublicher ist - der Alltag oder die Spielszenen.
Anders als etwa in "How I Learned to Overcome My Fear and Love Arik Sharon" fehlt Mograbi ein wenig der Counterpart, den er selbst in der Rolle seiner Frau nur eingeschraenkt ausfüllt.
Das offene Rollenspiel gibt dem Film eine offenkundigere Komik als sonst, die passt allerdings sehr gut zu dem allgemeinen Wahn-Witz des Films.
"August..." ist gegenüber etwa "How I learned..." eine stärker auf die Frage nach der Autorenschaft ausgerichtete Reflektion. Dreht sich der Film quasi selbst oder ist er das Ergebnis eines bewussten Prozesses...
Wait, it's the soldiers, I have to hang up now...
Von den drei auf der Edition enthaltenen Kurzfilmen ist "Wait, it's the soldiers, I have to hang up now..." der bei weitem gelungenste. In angenehm unaufgeregter, lakonischer Weise ist der Film ein Kommentar auf die Situation, was tun, wenn man mit einem Freund telefoniert, in dessen Wohnugn gerade eine Haussuchung stattfindet. Telefonieren, abwarten, fernsehen und später eine rauchen klingt wie ein Plan...
(kleiner Hinweis: die Texte gehen teilweise auf Besprechnugen der Filme zurück, die ich für woanders geschrieben hab. Sind aber alle nochmal überarbeitet.)
orcival
25. November 2006
(0 Shpiel)
gefangen in Bildern der Kamera
... your shpiel!
... link