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[Leipzig] VIIIa: Retro Andrei Chrschanowski - Programm 1
Die diesjährige Animationssektion in Leipzig umfasst neben vielem anderen auch eine leider nicht vollständige, aber doch recht ansehnliche Retrospektive der Filme Andrei Chrschanowskis. (Für eine vollständige Auflistung aller Filme Chrschanowskis siehe die Biographie-Seite des diesjährigen Film Festival Rotterdam oder hier auf Animator.ru).

Die zwei Programme gliedern sich entlang der Wende von 1989/1992. Das erste umfaßt also die Filme bis dahin und das zweite die nach 1990 entstandenen.



Das Programms wird eröffnet durch Chrschanowskis erste Regiearbeit Жил-был Козявин / Schil-byl Kosjawin / There Lived Kozyavin. Eine von Gennadi Sokolski (der später für seine Cartoon-Serie Nu Pogodi berühmt werden sollte), Waleri Uganow, Stanislaw Sokolow, Waldimir Morosow, Anatoli Petrow (Gründer des Animationsprogramms Vesyolaya Karusel / The Happy Merry-Go-Round), Juri Kusjurin, Wladimir Arbekow und Dmitri Anpilow animierte Bürokratie-Satire. Die eigentlich eher profane Aufgabe, einem gewissen Sidorow auszurichten, dass der Kassierer angekommen sei, führt Kozyavin einmal um die ganze Welt. There Lived Kozyavin ist eine ausgesprochen gelungene Bürokratie-Satire. Besonders bemerkenswert ist hier bereits Chrschanowskis Raumauffassung/-darstellung. Die Räume die Kozyavin durchläuft sehen aus wie ein wildes Cross-over von De Chirico und Mirò. Ebenso bemerkenswert ist die Musik, die, obwohl Chrschanowski für diesen Film noch nicht mit Alfred Schnittke arbeitete, sondern dem Filmkomponisten German Lukjanow.



Der wahrscheinlich bekannteste Film Chrschanoskis aus dieser Zeit ist Стеклянная гармоника / Stekljannaja garmonika / Glass Harmonica. Der Film, der in an der Kunst der (italienischen) Renaissance und des Barock orientierten Bildern, eine Parabel über die Macht erzählt, ist der einzige Film des Regisseurs der von der Zensur verboten wurde. Der Film ist eine Adaption einer Geschichte von Lasar Lagin. Immerwieder taucht trotz der Versuche der Macht, die von Magritte artigen Männern mit Melonen dargestellt wird, eine Harmonika aus Glas auf, die die Menschen dazu bringt, sich der Zurichtung durch die Macht zu entziehen.

Eine interessante Frage ergibt sich an der Rekonstruktion der Uhr als Zeichen der Wiederherstellung der als machtfrei imaginierten Ordnung: vor dem Hintergrund der Bedeutung des Taylorismus und der in diesem angelegten Bedeutung der Uhr bzw. der in der Stechuhr verkörperten Zeit auch oder gerade im spätimperialen Russland ist das ein seltsames Bild. Wird an dieser Stelle wirklich die Wiederherstellung von Freiheit gefeiert oder nur der Austausch einer Macht durch eine andere?

Nicht zuletzt ist der Film bemerkenswert für die Zusammenarbeit mit Alfred Schnittke und das nahezu gleichberechtigte Nebeneinander von Bild und Tonebene. In seinen Ausführungen betonte Chrschanowski, dass der Film nicht nur für ihn unglaublich wichtig war, weil er trotz des Verbots für ihn einen Durchbruch bedeutete - und schließlich konnte er ja auch weiterhin für Sojusmultfilm) arbeiten und weitere Filme realisieren.





Während Stekljannaja garmonika und dem vierten Film des Programms Babotschka / Butterfly in Bezug auf die Bildsprache etwas Opulentes zu eigen ist, ist Schkaf / Armoire wohl so nah wie man mit Chrschanowski an eine Miniatur kommt - ein Mann räumt nach und nach seine gesamte Habe in ein Ungetüm von einem Schrank, der in seiner Wohnung auftaucht. Es liegt nahe, den Film für mehr als nur die Geschichte eines Mannes im Schrank zu halten. Ob er sich allerdings eher als Parabel der inneren Emigration oder als Auswirkungen der Angst auf einen Mann lesen läßt, läßt sich nicht ohne weiteres entscheiden...

Rückblickend ist Schkaf daher zwischen Stekljannaja garmonika und Бабочка / Babotschka / Butterfly perfekt gesetzt: während sich Stekljannaja garmonika und auch sein Vorgänger kaum anders denn als Parabel lesen lassen, ist dies im Falle von Babotschka / Butterfly nicht mehr so leicht möglich. Der Film über einen Jungen, der alles Fliegende sammelt und daher anfängt, Schmetterlinge zu jagen und in Einweckgläser zu sperren, schließlich aber selbst von einem Riesenschmetterling entführt wird, enthält durchaus symbolhafte Bilder - diese lassen sich jedoch nicht ohne weiteres deuten, ohne in die Trivialität abzugleiten. In dieser Perspektive stellt Schkaf die Wende weg von der Eindeutigkeit dar.

Das bestätigt sich in den letzten beiden Filmen dieses ersten Programms Дом, который построил Джек / Dom, kotoryi postroil Dschek / The House That Jack Build und Королевский бутерброд / Korolewski buterbrod / The King's Sandwich. Beide sind entstanden nach Gedichten für Kinder. Was sich in Dom, kotoryi postroil Dschek jedoch in einer eher harmlosen grafischen Spielerei verläuft, während sich in Korolewski buterbrod die ganze anarchische Kraft des Gedichtes von A. A. Milne entfalten kann, an dem König, der durch die einfache Bitte um Butter für das Brot das ganze Königreich in Aufruhr versetzt. An der Eingangssequenz hätte Sylvain Chomet seine Freude gehabt.

An allen Filmen aus diesem Programm und vielen des zweiten war Anatoli Abarenow als Animator ebenso beteiligt wie Rosa Chusnutdinowa als Skript-Schreiberin.

Einen guten einführenden Überblick über die Geschichte des russischen/sowjetischen Animationsfilms bietet die englische Wikipedia-Seite

Zu Chrschanowski siehe die folgenden Artikel in Kino Zapiski, bei Animator und Kultura-Portal.

orcival 31. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] VII: My Heart Beats Only For Her
Mohamed Soueid siedelt seinen neusten Film in Dubai, Beirut und Hanoi an: ausgehend von der Lebensgeschichte von Hatem Hatem, besser bekannt unter seinem nom de guerre Abu Hassan Hanoi, versucht sich der Film an der Geschichte gegenseitiger Anstöße. Viele der Interviewten betonen die Bedeutung des Vietnamkrieges für die arabischen militanten Bewegungen der 60er-70er Jahre. Mit dem Tagebuch seines Vaters als Reisegepäck versucht sich Hatem Hatems Sohn Hassan in Hanoi an einer Spurensuche zur Biographie seines Vaters und des vietnamesischen Flügels der Fatah.

Soueids Film erfreut sich derzeit eindrucksvoller Beliebtheit sowohl auf internationalen wie arabischen Filmfestivals wie dem Libanese Film Festival.

zum Hintergrund des Films sei die Lektüre dieses Artikels aus dem Daily Star.

orcival 31. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] VI: Die Unbeirrbaren André Schmidt vs Lutz Stützner
Entgegen meiner Erwartungen musste ich mich doch eher quälen vor Mediokrität im ersten Programm von Die Unbeirrbaren. Wobei die Mediokrität noch das angenehmere der Gefühle war - doch dazu kommen wir bei Lutz Stützner noch. Erst der positive Teil.

André Schmidt gehört für mich zu den Leuten, von denen ich vor diesem Festival noch rein gar nichts gehört hatte. Um so angenehmer positiv überrascht zu werden und zwar mehr oder weniger ausgeprägt von allen drei Filmen, die von ihm im diesjährigen Sonderprogramm der Animationssektion in Leipzig laufen. Die Gänsemagd von 1987, Biotop von 1990 und Der Baum von 2000 sind alle drei bemerkenswert.

Die Gänsemagd, 1987 also noch zu Bestehen der DDR unter der Regie von Horst J. Tappert entstanden, ist im Prinzip eine recht konventionelle Adaption des Grimm'schen Märchens. Aber auch wenn ich das im Prinzip natürlich spätestens seit Lotte Reiniger weiß, war ich doch überrascht was für wunderschöne Bilder man mit Scherenschnitten erzeugen kann. Wer kann, sollte sich den Film unbedingt als Beispiel dafür ansehen, wieviel in dem Genre Märchenanimationsfilm möglich ist und wie zeitlos so etwas wirken kann. Ganz anders und sehr viel mehr an Gesellschaft interessiert die beiden anderen Filme von Schmidt: Biotop und Der Baum beide schon unter Schmidts eigener Regie entstanden, sind interessante Beispiele für einen ökologisch interessierten Film.



Biotop konfrontiert in angenehm unaufgeregt experimenteller Weise die Hast und das Grau der Großstadt mit der Ruhe und Größe einer Meerlandschaft. Was an dem Film fasziniert, ist die Stimmigkeit mit der Schmidt die Bilder findet, mit denen er sich (und den Film) vor allzu großer Vereinfachung bewahrt. Das gelingt etwas weniger gut in Der Baum. Mit zwei Worten ließe sich der Film als "über Nachhaltigkeit" beschreiben: ein Mann stößt auf einen Apfelbaum, und isst den ersten Apfel. Dieser erste macht Lust auf mehr. Nachdem alle Äpfel gegessen sind, muß der Baum selbst dran glauben und so weiter. Man sieht: überraschend ist das nicht, aber auch hier beeindruckt irgendwie die Bescheidenheit der Inszenierung, die so wenig von dem üblichen Weltretter-Pathos der Umweltbewegung an sich hat.

Ganz anders Lutz Stützner, dessen drei Filme eine Qual der ganz besonderen Wahl waren: Herzdame ist eine Art Ausspielen sexistischer Klischees. Vielleicht war das auch mal irgendwie ironisch oder sonst wie gemeint, aber eigentlich ist der Film hauptsächlich eines: sexistische Kackscheisse.
Zwei Hähne sitzen beim Kartenspiel als eine Henne vorbeiläuft. Sofort sind die beiden sabbernde Macker. Übergriffig, unerträglich, aggressiv - halt so, dass es auch wenn es mal lustig gemeint war, sich eher auf der Ebene eines Herrenwitzes erschöpft.
Inselwitz funktioniert ähnlich, tut dabei allerdings so als wär er politisch: drei männliche Schiffsbrüchige sabbern eine Meerjungfrau voll. Als diese aber ihre Liegematte auf die Insel wirft, haben die drei nichts besseres zu tun, als eine Fahne draus zu machen und dieser zu salutieren. Naja.

Richtig ekelhaft wurde es dann aber bei der Vorführung eines Zusammenschnitts aus Der kleine König Macius. Dass solch eine Ansammlung rassistischer Klischees als Kinderunterhaltung in Deutschland immer noch verbraten werden darf, spricht mal wieder Bände. Also: Macius wird König und ein General intrigiert gegen ihn, indem er ihn auf eine Insel "voller Wilder" schickt, die auch noch "Kannibalen" sind. Das ganze mit entsprechenden Bildern, inklusive wulstiger Lippen, Kochtopf und Affen. Der Kolonialismus feiert fröhliche Urständ, der Deutsche lacht dazu und Stützner kriegt Beifall. In Blues Brothers Paraphase: Stützner kann beide Arten Kackscheisse: sexistische und rassistische. Der wirklich unangenehmste Abend, den ich bisher auf einem Festival erleben musste.

orcival 30. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] V: 1428
Haibin Dus 1428 schildert in teils absurden aber stets sehr konkreten Szenen die Hilfsaktionen für die Erdbebenopfer von Sichuan vom Mai 2008 in einer Art Chronik des Scheiterns. Immer wieder konstratiert er die Selbstglorifizierung der Partei mit Bildern der real existierenden Zuständen. Damit, dass viele andere Bilder nur entstehen, sobald chinesische Offizielle in der Nähe sind, bricht der Film auf eine Weise, bei der es erstaunt, dass sie überhaupt möglich ist. so etwa in einer Szene gegen Anfang des Films: ein Parteivertreter bei einem Pressetermin entdeckt "zufällig" einen Mann, der sich sein Essen kocht. Den Deckel lüpfend entdeckt der Parteifunktionär, dass der Mann sogar Fleisch statt der Instant Nudel Ration kocht. Nach einigen Scherzen hin und her bricht das Erdbebenopfer in eine Eloge auf die Hilfsleistungen der Partei aus. Gleich darauf sieht man: damit hat er seine Funktion erfüllt. Der Tross zieht weiter und nur die Kamera Dus verweilt in der Nähe des Erdbebenopfers, das um seinen Kochtopf mit Fleisch fürchtet.

Die Art wie der Film immer wieder der offiziellen Inszenierung eines helfenden Volkes, geführt von einem altruistischen Bildapparat, Bilder von den Geschäftemachern und den Hindernissen, die die Politik den Helfer_innen in den Weg legt, entgegenstellt, beeindruckt auch in ihrem Vertrauen auf den nur um weniges ergänzten Kommentar durch die Montage. Zugleich verfolgt der Film von Anfang an eine klare Struktur und flicht auch visuelle Fäden durch die Gesamtlänge des Films.

Beim Sehen des Films fragt man sich, warum dieser Film nur an den Computern des Dok Market zu sehen ist, während der sehr arty geratene Disorder im regulären Programm auf der Leinwand läuft.

orcival 30. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] IV: Uiuiuiuiui
Gleich zwei Filme des diesjährigen Festivals geben einem mit Blick auf das italienische Filmschaffen zu denken.
Sual Saguattis und Audrey Coianiz' Transit City #2 - Roma Astratta ist ein Film, den man zwar als wenngleich belanglose Party-Visuals auf der Party seiner Nachbarn akzeptieren würde, der aber auf einem Filmfestival definitiv deplaziert wirkt. Die bloße Leistung in Gebäuden geometrische Formen wiederzuerkennen ist ja wohl nichts, was man auf vorführen müsste. Dass dem Film jede darüberhinausgehende Gestaltung abgeht und er wahllos Gebäude, deren Abstraktion und Musik zusammenklumpt, verstärkt das Gefühl des Fehlgriffes.

Während aber Transit City #2 - Roma Astratta nur überflüssig ist, ist Gaza Hospital von Marco Pasquini richtiggehend ärgerlich: der Film ist ein weiteres Beispiel für die Gattung italienische dumm antizionistische Filme, die sich in ihrem 70er Jahre-Internationalismus für politisch halten. Der Film rekonstruiert teils in Interviews, teils mit Archivmaterial die Geschichte des Gaza Krankenhauses in Beirut. Was eigentlich ein spannedes Thema hätte werden können, reduziert Marco Pasquini erfolgreich auf die Aussage: mann, was Sabra und Shatila schlimm. Übrigens wussten Sie, dass Sabra und Shatila echt schlimm war. Wow, Sabra und Shatila, das war ein Massaker! - und das anderthalb Stunden lang.

Eine Auseinandersetzung mit der Rolle der PLO im Libanon, eine Erwähnung der gegenwärtig (nicht zuletzt im Film) sehr lebendigen Debatte in Israel um den Libanonkrieg als eine Art israelisches Vietnam und so weiter und so fort - alle auch nur irgendwie interessanten Fragestellungen bleiben ausgespart. Das ist definitiv die Art Filme, die in Bezug auf Fragen des Lebens in Israel und den arabischen Ländern eher Teil des Problems als Teil der Lösung sind.

orcival 29. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] III: Animadok
b) Prayers for Peace
Der stimmigste Film des Programms war Dustin Grellas Prayers for Peace: Grellas Umgang mit dem letzten Tonzeugnis seines als US-Soldat im Irak gestorbenen kleinen Bruders, beeindruckt durch Nüchternheit und inszenatorisches Können. Von der ersten Szene an, in der der Erinnerungsfluß des alter egos des Regisseurs durch eine Installation (ein Zaun aus gelben Bändern, von denen jedes für einen toten Soldaten steht) ausgelöst wird, beherrscht der Film seine Mittel: während die Pastellzeichnungen des Films weitestgehend in schwarz-weiß gehalten sind und nur in einzelnen Szenen von verhaltener Farbigkeit durchbrochen werden, sind die Bänder der Installation gleich den Solidaritätsschleifen mit den Truppen im Irak grellgelb.
Auch während der Wiedergabe der Tonaufnahme läßt sich Grella das Bild nicht nehmen: die teils schwer verständliche Aufnahme wird durch Verschriftlichung des Gesagten verständlicher, aber Grella betont durch das Transkript auch die quasi-poetische Form des Gesprochenen.

orcival 29. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] III: Animadok
a) Eher beeindruckend als gut
Im diesjährigen Animadok-Programm gab es gleich zwei Filme, die zwar als Filme eher nicht überzeugen, aber inhaltlich doch sehenswert sind: Slavar / Slaves von Hanna Heilbron und David Aronowitsch und Fokker's Mountain Path.

Slavar / Slaves ist eine sehr klassisch erzählte, eher unterdurchschnittlich animierte Bebilderung zweier Kinder, die im Sudan von arabischen Reitermilizen verschleppt und als Sklaven gehalten wurden. Die Wucht des Interview ist beeindruckend. Die Schilderung der Greultaten ebenso. Insgesamt hinterläßt der Film jedoch sehr den Eindruck, das Ziel eine westliche Öffentlichkeit über die Zustände im Sudan aufzuklären über jedes Interesse an (filmischer) Form gestellt zu haben.

Luhsun Tans Fokker's Mountain Path verarbeitet den Tagebuchbericht eines weißen Kolonialsoldaten in den niederländischen Kolonien mit dem Schwerpunkt auf der Internierung in einem japanischen Lager während des Zweiten Weltkrieges. Thematisch durchaus nicht uninteressant, wenngleich etwas arg unkontextualisiert, mischt der Film Techniken und Bildsprachen scheinbar ohne Konzept. Die ebenso fehlende Struktur macht den Film nicht besser.

Für ein selten behandeltes Detail des Zweiten Weltkrieges, und die globale Perspektive auf diesen (die in Berlin ja gerade Gegenstand einer eher unrühmlichen Debatte war, ist der Film aber ganz spannend. Im Rahmen des Programms, war er überdies ein brauchbarer Gegenpol zu Wendy Morris neustem Film zur belgischen Kolonialgeschichte, der etwas arg zum Krud-experimentellen tendierte.

orcival 29. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] II: El General / The General


Der erste Film des Festivals war für mich Natalia Almadas El General / The General: angeregt von Tonaufnahmen ihrer Großmutter begibt sich die Regisseurin auf die Spurensuche nach der Geschichte ihres Urgroßvaters, des Generals Plutarcho Elias Calles, oder dem was davon bis heute wirkmächtig ist.
Auf der konkreten Ebene der Spurensuche verbleibt der Film allerdings eher auf einer Ebene, die ihn für den Mittwochabend auf Arte qualifiziert. Eine weitgehend eher durch den Tonkommentar umrissene Faktengeschichte, die sich in den Interviews einer "Zeitzeugin", in diesem Falle die Großmutter, spiegelt. Ins Verhältnis gesetzt zueinander werden sie nicht.

Die Momente in denen der Film darüberhinaus geht, blitzen von Zeit zu Zeit auf der visuellen Ebene auf: die Konfrontation der Newsreel-Aufnahmen Callas mit betont grellfarbigen Aufnahmen aus dem Mexiko der Gegenwart, zeugt immerhin von einem Konzept im Umgang mit filmischen Quellen. Die inhaltliche Grundlage für die Wahl dieses Konzeptes läßt sich freilich nicht unbedingt erkennen.

Zwei Seitenbemerkungen:
1) Almada hantiert für die Darstellung eines Bildes von der mexikanischen Revolution wiederholt mit Bildern und anderen Quellen aus und zu Eisensteins Viva Mexiko!-Projekt. Für mich hat sich dabei - nachdem ich letztens Soy Cuba gesehen habe, und finde, dass sich durchaus Ähnlichkeiten feststellen lassen - die Frage ergeben, ob es so etwas wie eine sowjetische Tradition filmischer Darstellung Lateinamerikas bzw. lateinamerikanischer Revolutionen gibt.

2) Sieht man wie sehr Callas sich als Präsident mit der katholischen Institutionalisierung christlichen Aberglaubens, will meinen der katholischen Kirche, angelegt hat und wie wichtig das in der Propaganda von Hearst gegen ihn war, ist mir unklar, warum der Machtfaktor Kirche sowenig Beachtung in den lateinamerikanischen Beispielen eines Dritten Kinos gefunden zu haben scheint. - Ein wenig mehr Priesterabknallen a la Bunuel hätte es schon sein dürfen...

orcival 29. Oktober 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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[Leipzig] I: Aufbau
Kaffeeschlürfend und mit dem laptopkuschelnd rumzusitzen, während um einen herum Filmfestivals aufgebaut werden, ist sowieso ein Gefühl, das ich sehr mag, aber wenn ich so hier in Leipzig rumlungere und mich an den Nerv erinnere, der die Berlinale zunehmend ausmacht, dann ist der Unterschied schon beeindruckend.

Das Programm ist mal wieder erfreulich mit Specials zu afrikanischem Dokumentarfilm, der Joris Ivens-Retro des Bundesarchivs, die man sich ja eigentlich schon letztes Jahr anläßlich der DVD-Box Veröffentlichung in den Niederlanden gewünscht hätte (das deutsche Equivalent scheint bei Absolut nun endlich verfügbar zu sein (wenn auch wohl erst ab Freitag, 30.10. und nicht wie auf der Website mitgeteilt schon seit 16.10....
und natürlich die vielen tollen Animationsfilmreihen. Animadok ist zwar diesmal nur ein Programm lang, aber dafür gibt es ja auch noch den Wettbewerb, die Animationsfilme für Kinder, die erstaunlich gute Sonderreihe Die Unbeirrbaren - DDR-Animationsfilmer nach 1989 und erst recht die Andrei Chrschanowski-Retro.

Überhaupt: relevante Kurzfilmprogramme zu zeigen, das ist was, wovon sich die Berlinale eine Scheibe abschneiden könnte. Andererseits scheint mir, nachdem ich mich letztens unvorsichtigerweise auf die Kurzfilmnächte des BR eingelassen hab, das Problem weiter verbreitet zu sein.

orcival 29. Oktober 2009 (1 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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Il divo, R: Paolo Sorrentino, IT 2008



Paolo Sorrentinos Film gehört zu den seltenen Fällen, in denen italienische Filme es auch in Deutschland in die Kinos schaffen. Das ist erstaunlich und wird noch erstaunlicher wenn man sich im Kino einem Film gegenübersieht der von Anspielungen auf die italienische Zeitgeschichte nur so stotzt und dieses Wissen weitgehend einfach voraussetzt. Die ästhetischen Qualitäten des Films trösten einen oft genug über eine weitere unverständlich gebliebene Hintergrundinformation hinweg. Um so mehr erstaunt das durchaus positive Echo, das dem Film widerhallte. Andererseits schien diesen Urteilen in vielen Fällen das Fehlurteil zu grunde zu liegen, es gehe dem Film um die Enthüllung des Verhältnisses zwischen Andreotti und der Mafia.

Diese Einschätzung übersieht, dass die Kontakte Andreottis zu mafiosen Kreisen in Italien ein offenes Geheimnis sind und also keineswegs enthüllt werden müssen. Interessanter ist schon, dass die Frage, ob man an diesen nie justiziabel nachgewiesenen, aber allgemein bekannten Kontakten Anstoß nimmt, politisch entschieden wird; und zwar in einer Weise, die noch immer den Frontstellungen des Kalten Kriegs folgt. Neuerdings unterstützt durch die Geschichtsklitterungstaktik des Hetzens von Berlusconi und seinem Geschwärl gegen alles war im Ruche der Liberalität steht.

Dies gesagt, ist Il Divo ein erstaunlich unentschiedener Film: nahezu über die gesamte Länge des Films bleibt offen, ob der Film sich an einem – von Anfang an zum Scheitern verurteilten – neuerlichen Versuch probiert, Andreotti seine Kontakte und mafiosen Verstrickungen nachzuweisen oder einfach nur Porträt sein will. Zum Scheitern wäre der Versuch eines Nachweises verurteilt, weil einem Film wohl kaum gelingen wird, was in jahrelangen journalistischen Recherchen und zahlreichen Prozessen nicht nachgewiesen werden konnte. Dieser Punkt ist also entgegen seiner in der deutschen Rezeption aufgeblasenen Bedeutung eher zu vernachlässigen.



Vielversprechender scheint da schon der zweite Strang des Films zu sein, der mit erstaunlicher Detailfreude ein Porträt eines der bedeutendsten und charismatischsten Politikers der italienischen Nachkriegszeit zeichnet. Denn wer nur auch nur die Fakten von Andreottis Laufbahn nachliest, wird einräumen müssen, dass sich Andreotti wohl durch mehr als seinen brillianten machiavellianischen Umgang mit der Macht auszeichnet. Die interessantesten Stellen des Films verdanken sich denn auch der Darstellung der Eigentümlichkeiten des italienischen Politsystems wie etwa dem unverhüllten Patronatssystems, das innerhalb der italienischen Politik der Nachkriegszeit auch überlebt hat. Alles in allem drängt sich beim Sehen des Films schon in der Tat der Eindruck auf, dass es dem Film eher genutzt hätte, statt einer Wischiwaschi-Profanität des Mafiosen Suppe ein konzentriertes Porträt eines konservativen Politikers und dessen Milieu zu zeichnen.

Zum Schluß noch einige Worte zu den wirklich eindrucksvollen Qualitäten der Inszenierung und Kameraarbeit des Films: immer wieder klingen im Film barocke Bildelemente an; dies mag der Tradition des Herrscherporträts geschuldet sein, in der der Film auch steht. Andererseits ist gerade diese Seite, die bei aller Opulenz der Mittel (von der deutlich bewußten Inszenierung der Farbigkeit bis zu den oft in Untersicht gefilmten Einstellungen Andreottis) mit dem Barock eben auch die Verliebtheit in die Abstrusität des Realen teilt. Und in diesem Sinne ist Il divo ein mindestens ebenso gelungener Barockfilm wie Derek Jarmans Caravaggio.

orcival 25. Mai 2009 (0 Shpiel) gefangen in Bildern der Kamera
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