Die Reihe ist ja schon verschiedentlich heiß ans Herz gelegt worden. Dem schliesse ich mich natürlich vollkommen an. Ein solches Projekt, dass die Ausblendungen in der Gedächtnisproduktion an das unklare Gebilde das "1968" darstellt, war geradezu überfällig. Das was den Aufbruch trug, der die 60er und 70er Jahre prägte, war ja gerade nicht rotweinschlürfend in Adornoseminaren auf dem Boden zu sitzen, sondern konkrete politisch, repräsentationsreflektierende, internationalistische Praxis. So gesehen ist es konsequent, die Filme einer erneuten Sichtung zu unterziehen, die in diesem Kontext standen.
Die 34 Filme der Reihe bieten einen guten und über weite Strecken repräsentativen Einblick in die Filmpraxis der Produktionsländer. Zugleich gibt der Arbeitsaufwand, der nötig war, um die Filme zusammenzukratzen, ein Bild vom dramatisch beschränkten Zustand der Filmverleihe. Noch immer sind es die üblichen Verdächtigen wenn es an den Vertrieb nicht-europäischen Kinos jenseits von Schmonzetten wie Caramel geht. Den Kurator_innen der Reihe ist zu gratulieren diese Reihe trotz all der Filme, die man sich noch hineingewünscht hätte, realisiert zu haben.
Zwei Punkte seien noch erwähnt: der Notwendigkeit, die Filme der Reihe nicht als Kino-, sondern als Filmpraxis zu verstehen, hat das Kurator_innenteam insofern Rechnung getragen und eine Website zusammengestellt, die Zahlreiches versammelt, was die Intentionen der Filmemacher angeht. Die beklagenswerte Materiallage dürfte es nicht hergegeben haben, die Vertriebswege der Filme zu ihrer Entstehungszeit entsprechend zu beleuchten. Wer jedoch einmal Fernando E. Solanas erzählen gehört hat, wie sein Klassiker La hora de los hornos nicht durch die Kinos, sondern durch die Wohnzimmer und sozialen Zentren aufgeführt wurde, wird ahnen, dass sich hier noch politische Weiten öffnen.
Ebenso spannend, wie mit den vorhandenen Ressourcen unmöglich, war es wohl die Rezeption (hierzulande, wie vor Ort) zu beleuchten. Dies ist besonders bedauerlich, weil sich gerade an dieser wohl die politischen Prozesse hierzulande wie jene der Dekolonisation bzw. frühen nachkolonialen Geschichte noch besser verstehen liessen. (Einen Eindruck was an dieser Stelle passieren müsste, gibt Nils Seiberts Versuch, die Auseinandersetzungen der 50er bis frühen 80er Jahre als Vorläufer der Antirassistischen Bewegung zu interpretieren.)
So bedauerlich die Beschränkung auf die Filmgeschichte im engeren Sinne ist, wenn einem nach dem (Wieder-)sehen dieser Filme erneut ihre Vehemenz und Radikalität vor Augen steht, sie ist den Kurator_innen nicht anzulasten. Cecilia Valenti, Lukas Förster, Melanie Marx, Nikolaus Perneczky, Sarah Klaue und Stefan Eichinger einen herzlichen Dank für die Möglichkeit, diese Filme in dichter Folge zu sehen.
Die Reihe läuft noch bis zum 27. Mai im Zeughauskino.
orcival
6. Mai 2009
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