Paolo Sorrentinos Film gehört zu den seltenen Fällen, in denen italienische Filme es auch in Deutschland in die Kinos schaffen. Das ist erstaunlich und wird noch erstaunlicher wenn man sich im Kino einem Film gegenübersieht der von Anspielungen auf die italienische Zeitgeschichte nur so stotzt und dieses Wissen weitgehend einfach voraussetzt. Die ästhetischen Qualitäten des Films trösten einen oft genug über eine weitere unverständlich gebliebene Hintergrundinformation hinweg. Um so mehr erstaunt das durchaus positive Echo, das dem Film widerhallte. Andererseits schien diesen Urteilen in vielen Fällen das Fehlurteil zu grunde zu liegen, es gehe dem Film um die Enthüllung des Verhältnisses zwischen Andreotti und der Mafia.
Diese Einschätzung übersieht, dass die Kontakte Andreottis zu mafiosen Kreisen in Italien ein offenes Geheimnis sind und also keineswegs enthüllt werden müssen. Interessanter ist schon, dass die Frage, ob man an diesen nie justiziabel nachgewiesenen, aber allgemein bekannten Kontakten Anstoß nimmt, politisch entschieden wird; und zwar in einer Weise, die noch immer den Frontstellungen des Kalten Kriegs folgt. Neuerdings unterstützt durch die Geschichtsklitterungstaktik des Hetzens von Berlusconi und seinem Geschwärl gegen alles war im Ruche der Liberalität steht.
Dies gesagt, ist Il Divo ein erstaunlich unentschiedener Film: nahezu über die gesamte Länge des Films bleibt offen, ob der Film sich an einem – von Anfang an zum Scheitern verurteilten – neuerlichen Versuch probiert, Andreotti seine Kontakte und mafiosen Verstrickungen nachzuweisen oder einfach nur Porträt sein will. Zum Scheitern wäre der Versuch eines Nachweises verurteilt, weil einem Film wohl kaum gelingen wird, was in jahrelangen journalistischen Recherchen und zahlreichen Prozessen nicht nachgewiesen werden konnte. Dieser Punkt ist also entgegen seiner in der deutschen Rezeption aufgeblasenen Bedeutung eher zu vernachlässigen.
Vielversprechender scheint da schon der zweite Strang des Films zu sein, der mit erstaunlicher Detailfreude ein Porträt eines der bedeutendsten und charismatischsten Politikers der italienischen Nachkriegszeit zeichnet. Denn wer nur auch nur die Fakten von Andreottis Laufbahn nachliest, wird einräumen müssen, dass sich Andreotti wohl durch mehr als seinen brillianten machiavellianischen Umgang mit der Macht auszeichnet. Die interessantesten Stellen des Films verdanken sich denn auch der Darstellung der Eigentümlichkeiten des italienischen Politsystems wie etwa dem unverhüllten Patronatssystems, das innerhalb der italienischen Politik der Nachkriegszeit auch überlebt hat. Alles in allem drängt sich beim Sehen des Films schon in der Tat der Eindruck auf, dass es dem Film eher genutzt hätte, statt einer Wischiwaschi-Profanität des Mafiosen Suppe ein konzentriertes Porträt eines konservativen Politikers und dessen Milieu zu zeichnen.
Zum Schluß noch einige Worte zu den wirklich eindrucksvollen Qualitäten der Inszenierung und Kameraarbeit des Films: immer wieder klingen im Film barocke Bildelemente an; dies mag der Tradition des Herrscherporträts geschuldet sein, in der der Film auch steht. Andererseits ist gerade diese Seite, die bei aller Opulenz der Mittel (von der deutlich bewußten Inszenierung der Farbigkeit bis zu den oft in Untersicht gefilmten Einstellungen Andreottis) mit dem Barock eben auch die Verliebtheit in die Abstrusität des Realen teilt. Und in diesem Sinne ist Il divo ein mindestens ebenso gelungener Barockfilm wie Derek Jarmans Caravaggio.
orcival
25. Mai 2009
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