André Schmidt gehört für mich zu den Leuten, von denen ich vor diesem Festival noch rein gar nichts gehört hatte. Um so angenehmer positiv überrascht zu werden und zwar mehr oder weniger ausgeprägt von allen drei Filmen, die von ihm im diesjährigen Sonderprogramm der Animationssektion in Leipzig laufen. Die Gänsemagd von 1987, Biotop von 1990 und Der Baum von 2000 sind alle drei bemerkenswert.
Die Gänsemagd, 1987 also noch zu Bestehen der DDR unter der Regie von Horst J. Tappert entstanden, ist im Prinzip eine recht konventionelle Adaption des Grimm'schen Märchens. Aber auch wenn ich das im Prinzip natürlich spätestens seit Lotte Reiniger weiß, war ich doch überrascht was für wunderschöne Bilder man mit Scherenschnitten erzeugen kann. Wer kann, sollte sich den Film unbedingt als Beispiel dafür ansehen, wieviel in dem Genre Märchenanimationsfilm möglich ist und wie zeitlos so etwas wirken kann. Ganz anders und sehr viel mehr an Gesellschaft interessiert die beiden anderen Filme von Schmidt: Biotop und Der Baum beide schon unter Schmidts eigener Regie entstanden, sind interessante Beispiele für einen ökologisch interessierten Film.
Biotop konfrontiert in angenehm unaufgeregt experimenteller Weise die Hast und das Grau der Großstadt mit der Ruhe und Größe einer Meerlandschaft. Was an dem Film fasziniert, ist die Stimmigkeit mit der Schmidt die Bilder findet, mit denen er sich (und den Film) vor allzu großer Vereinfachung bewahrt. Das gelingt etwas weniger gut in Der Baum. Mit zwei Worten ließe sich der Film als "über Nachhaltigkeit" beschreiben: ein Mann stößt auf einen Apfelbaum, und isst den ersten Apfel. Dieser erste macht Lust auf mehr. Nachdem alle Äpfel gegessen sind, muß der Baum selbst dran glauben und so weiter. Man sieht: überraschend ist das nicht, aber auch hier beeindruckt irgendwie die Bescheidenheit der Inszenierung, die so wenig von dem üblichen Weltretter-Pathos der Umweltbewegung an sich hat.
Ganz anders Lutz Stützner, dessen drei Filme eine Qual der ganz besonderen Wahl waren: Herzdame ist eine Art Ausspielen sexistischer Klischees. Vielleicht war das auch mal irgendwie ironisch oder sonst wie gemeint, aber eigentlich ist der Film hauptsächlich eines: sexistische Kackscheisse.
Zwei Hähne sitzen beim Kartenspiel als eine Henne vorbeiläuft. Sofort sind die beiden sabbernde Macker. Übergriffig, unerträglich, aggressiv - halt so, dass es auch wenn es mal lustig gemeint war, sich eher auf der Ebene eines Herrenwitzes erschöpft.
Inselwitz funktioniert ähnlich, tut dabei allerdings so als wär er politisch: drei männliche Schiffsbrüchige sabbern eine Meerjungfrau voll. Als diese aber ihre Liegematte auf die Insel wirft, haben die drei nichts besseres zu tun, als eine Fahne draus zu machen und dieser zu salutieren. Naja.
Richtig ekelhaft wurde es dann aber bei der Vorführung eines Zusammenschnitts aus Der kleine König Macius. Dass solch eine Ansammlung rassistischer Klischees als Kinderunterhaltung in Deutschland immer noch verbraten werden darf, spricht mal wieder Bände. Also: Macius wird König und ein General intrigiert gegen ihn, indem er ihn auf eine Insel "voller Wilder" schickt, die auch noch "Kannibalen" sind. Das ganze mit entsprechenden Bildern, inklusive wulstiger Lippen, Kochtopf und Affen. Der Kolonialismus feiert fröhliche Urständ, der Deutsche lacht dazu und Stützner kriegt Beifall. In Blues Brothers Paraphase: Stützner kann beide Arten Kackscheisse: sexistische und rassistische. Der wirklich unangenehmste Abend, den ich bisher auf einem Festival erleben musste.
orcival
30. Oktober 2009
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gefangen in Bildern der Kamera
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