Ali Badrakhan: Al-karnak
Der Übergang von Nasser zu Sadat Anfang der 70er Jahre darf wohl mit einigem Recht als der Moment gelten, in dem viele Weichenstellungen getroffen wurden, die teilweise bis heute fortwirken.
Gewissermassen begann nämlich mit Sadat der Normalfall der ägyptischen Gesellschaft und Politik. Während unter Nasser, auch im Kontext einer (post-)kolonialen Politik ein starkes Hantieren mit einem ägyptischen Nationalismus einerseits und einem arabischen andererseits üblich war, blieb unter Sadat nach dem Bröckeln und Zerfallen des eigentlichen Panarabismus nur das zwiespältige Verhältnis zwischen Ägypten und den anderen arabischen Staaten. Zwiespältig insofern sich Ägypten mit wechselnden Nuancierungen und unter Verweis auf die alten Ägypter als eigenständige Kulturnation versteht, gleichzeitig aber in der Tagespolitik sich durchaus als arabische Grossmacht versteht.
Eben in dieser Umbruchsituation ist Ali Badrakhans Film "Al-karnak" angesiedelt. Der Film beginnt - auch dies Teil des Umbruchs - mit dem Oktoberkrieg/Jom-Kippur-Krieg. Dieser stellte nach der blutigen Nase, die sich die arabischen Staaten im Junikrieg/Sechs-Tage-Krieg geholt hatten (und unter den ärabischen Staaten hatte sich Ägypten vielleicht die blutigste Nase geholt), das nationale Selbstwertgefühl wieder her. In gewisser Hinsicht war es dieser seltsame Krieg, der den Weg für das Friedensabkommen mit Israel 1979 ebnete. Der Film nun setzt ein mit dem Vorstossen der ägyptischen Armee und dem nationalistischen Jubeltaumel, der ausbricht. Nur einer kann sich nicht recht freuen - Ismail. Als Ismail (Nour El Sherif) sich als Arzt beim Militär meldet, wird er zunächst abgewiesen. Er erkennt jedoch seine ehemalige Verlobte Zainab (gespielt von der famosen Souad Hosny ) wieder und diese setzt sich für ihn ein. Um dabei Erfolg zu haben, muss sie jedoch Ismails Lebensgeschichte - und Teile ihrer eigenen - erzählen.
Beide gehörten nämlich zu einer Gruppe von Studenten, die in die Mühlen der berüchtigten Sicherheitspolizei unter Nasser gerät.
Trotz seiner etwas übermässigen Länge (140 min) ist der Film in vielerlei Hinsicht spannend. Zum einen, weil der Film neben den noch heute erschütternden Folterszenen sich dank der Romanvorlage von Nagib Machfus eher dafür interessiert, was mit den Zainab, Ismail und den anderen geschieht, nachdem sie wieder frei sind.; wie sich ihr Leben vollkommen verändert hat und sie einander nicht mehr ertragen - bis zu jener nationalen Katharsis von 1973.
Zum anderen, weil er in den Szenen, die die Strasse in der Ismail und Zainab wohnen zeigen, viele Spannungen und Konfilktlinien der ägyptischen Gesellschaft der 60er/70er Jahre zeigt. So liegt Zainabs Vater im Dauerclinch mit einem Händler, der ein Auge auf Zainab geworfen hat, worauf dieser nur auf Zainabs Bildung verweist, die sie für den erfolgreichen, aber ungebildeten Händler unerreichbar mache.
In diesen Szenen ist der Film natürlich auch wegen der Rolle der Zainab interessant, die beinahe stärker als ihre männlichen Kommiltonen für den Rollenwechsel steht, der sich mit der Lösung aus der kolonialen Abhängigkeit verband.
Abschliessend sei auf die zwei mir bekannten Texte verwiesen, die sich mit dem Film und seinem Kontext befassen.
Dies ist zum einen Kristina Bergmann in ihrem - ohnehin empfehlenswerten - "Filmkultur und Filmindustrie in Ägypten" auf den Seiten 164ff, sowie das Buch von Michael Lüders "Gesellschaftliche Realität um ägyptischen Kinofilm. Von Nasser zu Sadat (1952-1981)" auf den Seiten 212ff. In dem Buch von Lüders bekommt man übrigens mal wieder vor Augen geführt, dass Fernsehauftritte als Experte nicht immer als Karriere gelten dürfen.
Wen das Thema Oktoberkrieg/ Jom-Kippur-Krieg weiter interessiert, sei auf Amos Gitais "Kippur" verwiesen.
Eine recht ernüchternde Bilanz der Fernwirkung Sadat für das israelisch-ägyptische/ (arabische) Verhältnis zieht
dieser Artikel aus Haaretz
Erhältlich ist Al-karnak beispielsweise hier
orcival
13. November 2006
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gefangen in Bildern der Kamera
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