Nun ist also auch dieser Biowaffen-Schmonsens im Fernsehen gelaufen - RTL sei Dank!. "Der Hades Faktor" ist im Grunde genommen eine entschärfte Version solcher Machwerke wie Daniel Percivals "Smallpox 2002: Silent Weapon" oder "Dirty War". Denn im Hades Faktor, gibt es zwar den Versuch mittels biologischer Kampfstoffe ein gross angelegtes Attentat durchzuführen, aber mit einem Virus, gegen das es einen Impfstoff gibt. Denn Robert Ludlum, auf dessen Romanvorlage das Ganze zurückgeht hat zu allem Überfluss auch noch eine Verschwörungsstory eingebaut. Und so sind es profitgeile Pharmamanager, die sich islamistischer Spinner aus Paris bedienen, in Berlin einen Virus-Rückkauf vereiteln und dann in den "US and A" das Virus freisetzen.
Aber wie gesagt das Virus wurde in Afghanistan an GIs getestet und ein Virus entwickelt.
Die Story überrascht nicht wirklich. Jon Smith (Stephen Dorff) hält 160 Minuten die Fresse in die Kamera und hält es wohl für Schauspielen und eigentlich tun es ihm alle gleich. Erfreulich immerhin, dass Sophia Myles als doomed hottie noch im ersten Teil des 2-Teilers ins Gras beisst und so wenigstens die love-story-Schmonzette ausbleibt.
Als Film taugt "Der Hades Faktor" nicht weiter denn als durchaus nette Action-Unterhaltung. Als Ausdruck eines politischen Settings schon eher. Denn wenn der Biowaffenplot auch seit Richard Prestons "The Cobra Event" von 1998 nicht mehr wirklich neu ist und die reichlich platte Darstellung von "islamistischen" Terroristen auch eher schon ikonographisch etabliert ist, scheint mir die Re-Integration in einen Verschwörungsplot doch ein originäres Element von "Der Hades Faktor" zu sein.
Ebenso ist zumindest mir die Idee einer Verbreitung durch Selbstinfizierung der quasi-Selbstmordattentäter um das Virus einzuschmuggeln so noch nicht untergekommen. An dieser Stelle verschärft der Film die rassistisch konstruierte Bedrohung sogar eher noch.
Und die Frage, welche Bilder der Film einem vermittelt, ist daher äusserst interessant:
Da ist zum einen die Frage der Geographie: die gefährlichen Terroristen starten in einem als "Parallelwelt" konstruierten Viertel von ich glaube es war Paris, und wie oben schon gesagt, die erste Szene mit dem Protagonisten Jon Smith findet in Berlin statt, das in Teilen lustigerweise wie die Bronx der 80er Jahre inszeniert wird und das in Charlottenburg...
Die Bedrohung kommt also aus Europa. Das klang übrigens auch schon in "The Cobra Event" an, wenn die französischen Waffeninspektoren im Irak alles daran setzen keine Biowaffen zu finden. Auch die Idee, dass mit einem zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt geworfenen Impfstoff ein Vermögen zu machen ist, wird übrigens in "The Cobra Event" diskutiert.
Und während es etwa in "Smallpox 2002: Silent Weapon" und "The Cobra Event", um die Gefahr durch Pocken geht, greift "Der Hades Faktor" auf das 90er Jahre-Mode-Virus Ebola zurück.
Pocken werden in vielen Machwerken des Genres mit ausser Kontrolle geratenen Virusstämmen aus der ehemaligen Sowjetunion verbunden. Die Ebola-Variante in "Der Hades Faktor" ist hingegen von den USA erzeugt worden. Was wiederum auf die Verschörungsstory zurückverweist.
Ein nettes Detail in "Der Hades Faktor" sind weiters die Zerstäuberbomben, die das Virus in Umlauf bringen sollen. Durch dieses Bomben-artige Konstrukt bleibt dem Film das dramaturgische Mittel roter Digitalziffern erhalten...
"Der Hades Faktor" ist also in vielerlei Hinsicht eine Entschäftung des Bedrohungsszenarios durch Biowaffen. Und es ist spannend in Zukunft zu sehen, ob der Film vielleicht den Beginn einer Baisse des Genres von Filmen und Bücher mit diesen Thema bezeichnet.
Zu den Links:
Scott Weinberg hat einen recht treffenden Verriss von "Der Hades Faktor" geschrieben: klick
Philipp Sarasin hat mit "Anthrax" ein sehrsehr mässiges Buch geschrieben, das unterdessen auf aller Orten verschleudert wird. Sarasin sollte froh sein, dass auf sein sonst sehr geschätztes Schaffen in Kürze mangels Verfügbarkeit nicht mehr der Schatten dieses politisch äusserst fragwürdigen Hüftschusses fallen wird.
Die lesenswertesten Passagen zeichnen etwas effekt-hascherisch die politische Wirkung von "The Cobra Event" nach. Diese Stellen kann man sehr ähnlich hier nachlesen: klick
Sarasins Buch stützt sich übrigens in seinen besseren Teilen auf das wesentlich lesenswertere Buch von Judith Miller, William Broad und Stephen Engelberg von 2001: Germs - Biological Weapons and America's Secret War.
Schliesslich gibt es hier ein ganz lesenswertes Interview mit Joseph M. Henderson vom CDC.
orcival
4. Dezember 2006
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