Ein solcher Fall ist definitiv die Wiederauführung des Klassikers von Charles Burnett Killer of Sheep. Nachdem der Film vor 30 Jahren, 1977, schon einmal auf der Berlinale lief und damals auch einen Preis bekam, läuft er also wieder und fast ist es eine kleine Feier, dass er nun endlich einen Verleih hat. Nach der Restaurierung durch das UCLA TV and Film Archive ist es nämlich gelungen, das Hindernis der ungeklärten Musikrechte endlich auszuräumen und so wird es noch in diesem Jahr eine DVD- und Kinoveröffentlichung dieses Films geben.
Burnetts Film schildert in bewusstem Kontrast zu Hollywoods Blaxploitationfilmen das Leben in LA in den späten Siebziger Jahren zum Zeitpunkt der grössten Riots in den USA. Und er schildert ein Leben abseits von Gangs und Drogen, setzt vielmehr auf die alltägliche Abstumpfung und das Zugrundegehen an sich selbst. Der Anspruch "Realität" zu schildern, wird formal unterstrichen durch die direct cinema-artige Kamera, die Burnett selbst besorgte, und das Arbeiten auf 16mm.
Der Film wurde, da er mit Laiendarstellern gedreht wurde, über lange Zeit an Wochenenden gedreht ohne bisweilen zu wissen, welcher Schauspieler wann zum Dreh auftaucht.
Stan, der Protagonist, arbeitet in einem Schlachthof und tötet Schafe. Seine Schlafstörungen bringen allmählich seine Familie aus dem fragilen Gleichgewicht und so recht will nichts klappen, was er sich vornimmt.
Um die Schilderung von Stans Scheitern herum zeichnet Burnett das Leben. Das von Stans Sohn, dessen abgegucktes Machotum spätestens einen Dämpfer erhält als er sich durch eine Gruppe von Mädchen pöbeln will und herb abblitzt und eine kleine Abreibung bekommt.
Stan selber scheitert unter anderem mit seinem wohl nicht zu letzt aus Distinktionsbedürfnis gegenüber den "Armen" geborenen Traum vom eigenen Auto. Die beiden Szenen, die diesen Kampf um die Distinktion fassen, sind zum einen das Schicksal eines Motors, den sich Stan beschafft hat.
Nachdem er diesen mit Hilfe eines Freundes nach zähem Feilschen und grossen Mühne die Treppe hinabgeschafft hat, verstauen die beiden den Motor unzureichend auf der Pritsche ihres Autos und prompt fällt der eben erst teuer beschaffte Motor.
Die andere Szene zu diesem Thema ist der Versuch eines Trips aus der Stadt hinaus, der an einem platten Reifen scheitert.
Was in diesen Schilderungen des alltäglichen Lebens am meisten auffällt, ist Burnetts Umgehung jener festgeschriebenen Genderrollen wie sie in den Blaxploitationfilmen zunächst angelegt zu sein scheinen. Gerade in der Schilderung des Umgangs der Frauen mit "ihren" Männern ist Burnetts Film so nahe am feministischen Film, wie dies ein Film eines männliches Regisseurs in den 70ern sein konnte.
Wie weit der Film - und dies macht ihn zusätzlich interessant aus heutiger Sicht - übrigens von einem essentialistischen Genderverständnis entfernt ist, zeigt sich in dem Unterschied zwischen dem Umgang zwischen Stans Frau und Stan und dem seiner Macho-freunde mit deren jeweiligen Frauen.
Während diese eben gerade von Zeit zu Zeit den Kopf gewaschen bekommen und ihr posendes Auftreten ausgetrieben bekommen, besteht in Stans Falle, der Umgang eher darin, dass beide ihr jeweiliges und ihr gemeinsames Leben wieder in angenehmere Bahnen zu lenken versuchen.
Der Einsatz der Musik, der den Film so lange Jahre um eine gebührende Veröffentlichung brachte, fügt sich hervorragend in die Ästhetik des Films, indem sie einerseits den fiktionalen Charakter der dokumentarisch gefärbten Bilder betont, aber zugleich auf der anderen Seite aus heutiger Sicht die Breite dessen umreisst, was schwarz sein in den 70er Jahren heissen konnte.
Wer mehr will, hier gibt es aus der Fülle von Besprechungen eine recht lesenswerte vom Herrn Knörer
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orcival
10. Februar 2007
(0 Shpiel)
gefangen in Bildern der Kamera
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