Nach "Fabulous!" auf der letzten Berlinale nun also "Schau mir in die Augen, Kleiner!". Die starken Momente des Films gehören John Waters. Wie er da in wunderbar schnatteriger Weise, 35 Jahre schwule Geschichte erzählt und dabei durch den Gemüsegarten der schwulen Filmgeschichte streicht, das bringt immer wieder Episoden hervor, bei denen man sich wünscht, es möge doch endlich nach Joseph F. Lovetts "Gay Sex in the 70s", der eher die schwule Stadtgeschichte von New York zum Thema hat, eine Film über einzelne Momente der schwul-lesbisch-queeren Filmgeschichte geben.
Die interessantesten Abschnitte des Films gehören denn auch zum einen dem deutschen schwul-lesbischen Kino der frühen 70er Jahre mit einem grossartigen Ausschnitt aus einer Pressekonferenz mit Fassbinder (Fassbinder (nuschelt): "Es ging mir da eigentlich vor allem um Gefühle..."; Pressemensch:"Worum?"; Fassbinder (nachdrücklich): "Ge-füh-le.") und jenen Episoden mit Tilda Swinton und Stephen Frears zu politischen Effekten ihrer Filme in Thatchers Grossbrittanien.
Eher konventionell gerät dann der Durchgang durch das zunächst vor allem schwule Kino der 80 und dann das schwul-lesbische der 90er Jahre.
Eine vertane Chance ist, dass der Film die Anstösse von Angelica Maccarone über lesbische Beziehungen in "Fremde Haut" und Alex und Sylvia Sichel ("All over me"), die auf die Frage des Verhältnis von schwul-lesbischem Kino und queerem Kino hinweisen, nur mit einem eher launischen Interviewausschnitt mit Wieland Speck aufnimmt.
Überhaupt beschränkt sich der Film leider auf Filme, die explizit und im Film schwul-lesbische Themen thematisieren. Ausgeblendet bleibt etwa das weite Feld der Aneignung originär daraufhin angelegter Filme durch das Publikum.
So bleibt der Film wie gesagt stets etwas oberflächlich und eklektisch, und erfreut nur durch die Interviews mit Menschen, denen man zumeist einfach gern zuhört.
orcival
17. Februar 2007
(4 Shpiels)
gefangen in Bildern der Kamera
... your shpiel!
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Ich gehe auch sehr d'accord mit dir, dass die Momente, die in solchen Produktionen beeindrucken, die Partikel sind, die aufgetrieben werden konnten (s. Fassi), erregende Momente, oder die richtigen Leute, die dann eben auch meist 'das richtige' sagen, Momente zum zurücklehnen. Und das dann 'dennoch' bald immer das Gefühl bleibt, es habe was gefehlt.
Ich habe nicht die Idee einer Erklärung ...
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Während letztere sich vollkommen in der Beliebigkeit des Themas suhlen, und es eher um fesche Bilder, die fast nie Inhalt transportieren geht, ist es bei den langen Dokus oft eher die Frage, wie reflektiert der/die AutorIn war.
Beispielweise halt ich grosse Stücke auf das was ch gern Narrative Dokumentation nenne (so Keil/Kruska oder eben Durchfahrtsland oder "2 oder 3 Ding , die ich von ihm weiss"), aber sonst denke ich, ist es einfach aus der Mode gekommen relevantes im Dok-film zu verhandeln, weil den vermeintlich eh niemand rezipiert.
Statt dessen dreht man dann lieber den (sehr guten, das sei zugestanden) "Fremde Haut", der aber doch, weil er den Gesetzen des heutigen fiktionalen Films gehorcht (Lovestory, Human touch...) viel weniger transportiert.
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Dass der Dokfilm noch ganz andere Möglichkeiten hat und Formen annehmen kann - wie du sie ansprichst; oder in Annährung an den Essayfilm (was ich sehr mag) - ist dabei unbenommen. Und hier beginnt es ja erst wirklich, interessant zu werden. Aber ich bezog mich zuerst auf deinen Text zu dem Film und die von dir benannten Probleme, die man eben in so vielen anderen/ähnlichen Filmen auch findet.
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... shpiel