Francois Ozons neuer Film "Angel" über eine aus ärmlichen Verhältnissen aufsteigende Kitschschriftstellerin im 19. Jahrhundert, mithin am Ende des Goldenen Zeitalters des Schundromans, ist meiner Ansicht nach vor allem eines: ein leider nicht ganz gelungenes Experiment mit der Form "Historienschinken" a la "Gone With The Wind" und "Sissi" und des Technicolor-Popcornkinos der 40er/50er Jahre.
In formaler Hinsicht ist dieser Versuch dank der handwerklichen Fähigkeiten von Ozon, Denis Lenoir (Kamera) und der Ausstattungscrew auch durchaus gelungen. Der bewußte Farbeinsatz (bei dem ich irgendwie immer sagen würde, das sei eine französische Tradition spätestens seit Godard, ohne dies aber wirklich belegen zu können. Stimmt das so?), die Szenen mit Kutschenfahrten, bei denen die Insassen sichtlich vor den Hintergrund gesetzt werden, die Detailverliebtheit, all dies ruft zugleich wunderbare Reminiszenzen an eine vergangene Kinozeit ab und schafft zugleich eine Atmosphäre der Künstlichkeit. Das mag bisweilen etwas effektheischerisch sein, ist jedoch im Gesamtbild recht stimmig.
Man mag es nun nach den nur halbbegeisterten Einleitung und der Eloge auf die Machart des Films erwarten: da Problem scheint mir in Ozons Umgang mit der Handlung und der Handlung selbst zu liegen. Dabei ist die Geschichte des Aufstiegs der titelgebenden Protagonistin Angel, die sich im wahrsten Sinne des Wortes in eine bessere Welt schreibt, in den Anschlussmöglichkeiten in Richtung Aufstiegsträume oder der Reflektion des Massenmediums Schundroman durch das Massenmedium Historienschinken durchaus recht vielversprechend. Und auch der masslosen künstlerischen Selbstüberschätzung von Angel schaut man durchaus gern und fasziniert zu. Zumal wenn sie auch nachdem sie sich einen gewissen materiellen Reichtum erschrieben hat, nicht aufhört sich die Welt rosarot zu träumen.
Was Ozon jedoch mit dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Protagonistin zunehmend abhanden kommt, ist die Distanz zum Geschehen durch die offen künstliche Form. Eben diese Distanz aber scheint mir, hätte mir mit ihrem Spiel zwischen Darstellung, Nachspielen und Analysieren des Historienfilms den Reiz des Films ausmachen können. Mit dem Scheitern und Wegfallen dieser Distanz wird aus "Angel" gegen Ende eben doch nur ein Kostümzuckerwattenfilm mehr, dem sein darüber hinausgehender Existenzgrund abhanden gekommen ist.
orcival
12. August 2007
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