Beide Filme scheinen mir neben vielem anderem, sonst wärens ja auch keine guten Filme, sehr intelligente Filme über Exotismus und damit eben immer wieder auch Rassismus und dessen zu sein, was üblicherweise unter Postkolonialismus verhandelt wird.
Worum gehen die Filme:
Prater, der bislang erstaunlich wenig mediale Aufmerksamkeit bekommen hat, ist eine Art Kulturgeschichte des Wiener Praters. Darin verbinden sich natürlich die Geschichten der Personen, die diesen zumindest damals grösstne Dauerrummel Europas bevölkerten mit der "grossen" Geschichte, die immer wieder aufblitzt: etwa der "Arisierung" des Praters nach der Vereinigung Deutschlands und Österreichs. In teilweise wunderbar mehrschichtigen Bildern gelingt es Ottinger immer wieder, diese Kulturgeschichte wirklich in Bildern zu erzählen und nicht nur zu illustrieren. Eines der Bilder, das sich mir seit dem Sehen auf der Berlinale am besten eingeprägt hat, ist beispielsweise das einer indisch aussehenden Familie, die sich in amerikanische Kostüme der Zeit des Sezessionskrieges fotografieren lässt und dabei gefilmt wird.
Der Film läuft in Berlin in drei Kinos und im Oktober nochmal im Arsenal im Rahmen einer Gesamtretrospektive der Filme von Ulrike Ottinger. Die Retrospektive findet statt im Kontext einer grossen Ausstellung, der Fotos Ulrike Ottingers, die im über dem Arsenal und unter der dffb gelegenen Filmmuseum stattfindet. "Gross" ist die Ausstellung allerdings nur in der Hinsicht, dass sie sehr schön und gut gemacht ist und die erste dieser Art ist. Beim Durchgehen hätte man sie sich allerdings noch viel grösser gewünscht.
Mehr Infos zum Film auf der Website zum Film.
Der zweite Film hat für seine mediale Umsetzung schon viel Aufmerksamkeit gekriegt, für die intelligente Auseinandersetzung mit deutschen kolonialen Wissenschaftlern weniger. Die Rede ist von Philipp Scheffners "The Halfmoon Files". Scheffners Film zeichnet ausgehend von der Stimmaufnahme eines indischen Soldaten in einem Kriegsgefangenenlager des Ersten Weltkrieges die von jeder Reflektion den vom eigenen rassistischen Tun unbefleckten Aufbau eines Archivs "aller Stimmen der Völker" durch den Sprachforscher Wilhelm Doegen. Was jetzt unglaublich dröge klingen mag, ist in der Umsetzung jedoch extrem spannend und Scheffner zeigt sich auch immer wieder offen dafür, der Geschichte des Spracharchivs ihre humorvolle Seite abzugewinnen, etwa bei einer Aufnahme mit Kaiser Wilhelm Zwo.
Dessen Absurdität vorgeführt zu haben, oblag bislang ja vorallem dem Hörstück "Deutsche Krieger" von AmmerEinheit, Scheffners Fundstück mit der Aufnahme einer Hetzrede Wilhelm Zwos, der arge Schwierigkeiten mit der Aufnahme hat, ist aber in sich schon Sample genug, um als solches wiedergegeben zu werden.
Wer kann, sollte den Film unbedingt sehen. Und nicht auf morgen verschieben, in vielen Städten läuft der Film wie auch in Berlin nur kurze Zeit...
Auch hierzu mehr Infos auf der Website zum Film.
orcival
17. September 2007
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gefangen in Bildern der Kamera
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