Nun sind diese meines Erachtens aber eher Teil des Problems als der Pluspunkte, was den Film angeht. Wir erinnern uns: um die Blaxploitationfilme der 70er Jahre gibt es immer wieder die alte Debatte, ob die Filme vorrangig progressiv zu werten sind oder ob sie es vorrangig darauf anlegten einem junge schwarzen (meist wohl männlichen oder bei Kritikern, die so argumentieren zumindest männlich gedachten) Publikum, die Dollars aus der Tasche zu leiern.
Beides hat einiges für sich, wer von progressiven Filmen reden möchte, verweist in diesem Zusammenhang auf die Reflexion schwarzer Geschichte und die Selbstermächtigung in Filmen wie "Foxy Brown", wer die Filme kritisieren möchte, verweist auf die Dutzendware mit ihren oft weissen Produzenten, die sich an oft genug sexistischem Mist dumm und dämlich verdient haben.
Publikums- bzw. Rezeptionsforschung zum Thema kenne ich bislang keine, ist ja auch immer schwer, ABER: was man wohl in die rückblickende Analyse einbeziehen wird müssen, um nicht immer nur die Diskussionen von früher neu zu führen, wären wohl die zahlreichen Verweise von schwarzen Menschen, die berichten wie ermutigend die blosse Tatsache, Filme mit schwarzen Hauptdarstellern zu sehen, gewesen ist. Meist wird dies sogar explizit auf die noch zwiespältigeren Sidney-Poitier-Filme ausgeweitet.
Wenn man nun aber festhält, dass es in diesen Filmen um ein wie immer geartetes Empowerment ging, es sich in Leroy aber bei aller Liebe schlicht um einen Coming-of-age-Film handelt, dann, ja dann, muss man doch wohl einfach zu dem Schluss kommen, dass gerade die Blaxploitationzitate extrem entpolitisierend und psychologisierend und am Ende gar sinnentleert angeführt werden. Denn irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, es wäre in den besseren Vertretern des Genres - und dazu gehört "Blacula", den "Leroy" gern zitiert definitiv - um etwas anderes gegangen, als sich in eine coole Kutte zu werfen.
orcival
4. Oktober 2007
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Der Film selbst war, soweit ich dies nach dem was ich davon gesehen hab, eher Degeto (in diesem Fall Bavaria) als Qualität, aber das war auch irgendwie egal.
orcival
4. Oktober 2007
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filme und wirklichkeiten
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Auf newfilmkritk schreibt Volker Pantenburg über die materiellen Bedingungen der Filmproduktion und zwei Linien der 70er Jahre, um die Kameras einfacher, verfügbarer und damit für den direkten Kamerastil der Zeit geeigneter zu machen: Citizen Beauviala.
orcival
29. September 2007
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filme und wirklichkeiten
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Zu den interessantesten (und in ihren Auswirkungen - was die Rezeption hierzulande angeht - zwiespältigsten) Mythen Israels gehört der Nimbus des Mossad. Irgendwo zwischen dem Nimbus der unsichtbarer Unbesiegbarkeit und Projektionsfläche für das antisemitische Klischee "jüdischer Rache" werkelten Anfang der 60er Jahre ein paar Hanseln vor sich hin. Wer Hanna Yablonkas Buch über den Eichmannprozeß gelesen hat, ahnt wie weit Mythos und Wirklichkeit auseinanderklaff(t)en.
Einer der Menschen, an die man sich halten sollte, wenn man die filmische Mitarbeit am Aufbau des Bildes des Mossad und der Zahal würdigen möchte ist Menahem Golan. Dessen Filme vor allem der 70er Jahre wie Mivtsa Yonatan (Operation Thunderbolt) zeigten, dass man sich um seinen Arsch Sorgen machen sollte, wenn man sich an Israel vergreift. Eine Ansage, die in der Zeit gar nicht oft genug gemacht werden konnte.
Der Anlass für diesen Artikel ist übrigens der Hinweis, dass heute abend in Hamburg auf dem Filmfest Hamburg ein Film Deutschlandpremiere feiert, der sich des seltenen Unterfangens befleissigte, eine Agentenbiografie aus jener Zeit nachzuzeichnen: Champagnerspion von Nadav Schirman. (Leider schaffe ich es wohl kaum, mal eben nach Hamburg zu sputen und hoffe daher auf einen Filmstart...) Schirmans Film handelt vom Leben des He'ev Gur Arie, der Mitte der Sechziger Jahre in Ägypten als Spion verhaftet wurde, nachdem er unter dem Alias Wolfgang Lotz jahrelang in Ägypten gelebt hatte. Interessanterweise scheint dabei gerade die angebliche Nazivergangenheit von Lotz ein Türöffner gewesen zu sein; zumal Nasser sich alter Nazis bediente, um seine Vernichtungsphantasien gegen Israel vorzubereiten.
Wie dichtete Tom Lehrer zu etwa gleicher Zeit? "Call him a Nazi, he won't even frown. // 'Ha, Nazi Schmazi,'; says Wernher von Braun. // Don't say that he's hypocritical, // Say rather that he's apolitical. // 'Once the rockets are up, who cares where they come down? // That's not my department,'; says Wernher von Braun.".
Und weil ich schon am Schreiben bin: als es mich letztens von einem Film gelockt auf eine Veranstaltung zum "Deutschen Herbst" verschlug, die allerdings schlussendlich eher von der "Opa, erzähl uns von damals"-Art war, fiel mir auf, dass der Libanonkrieg 1982 eine äusserst kathartische Wirkung auf die europäische Linke gehabt haben muss: viele Knallos waren ja nach 1967 dermassen antizionistisch gewendet, dass sie sich prompt in den Libanon begaben - und natürlich draufgingen. Da sage noch jemand Kriege hätten nicht manchmal evolutionäre Bedeutungen...
orcival
29. September 2007
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Herausgekommen ist mit "Leroy" ein eher zwiespältiger Film. Der Protagonist Leroy ist 16, schwarz, Deutscher, Sohn einer grünen Bezirksverordneten und eines Vaters, der sich in eher mässig sinnvolle Erfindungen verrannt hat und hochbegabt. Als er sich in Eva verliebt, ist ihm zunächst nicht klar, worauf er sich damit einläßt. Das blüht ihm erst, als er sie das zuhause besucht und die Familie in voller Pracht vor ihm steht: der Vater Bezirksverordneter für die Republikaner und die Söhne prügelnde Skins, während sich Mutter Gretel um ihre Wellensittiche 'Kaltenbrunner' und 'Rommel' sorgt. Die Situation eskaliert als Evas Brüder einige ihrer Skinfreunde beauftragen, Leroy zu verprügeln, schliesslich aber Eva im Krankenhaus landet.
Soweit das Klischee, das im Kurzfilm noch meist spielerisch gebrochen wurde. "Leroy" bleibt aber lieber bei den Klischees und im hohlen anti-PC-Humor (dummerweise geht der Verleih damit auch noch hausieren), der schlicht 15 Jahre zu spät kommt bzw öder aduleszenter Zoten, wie der Lehrerin, die ihre Klasse nur in den Griff bekommt, indem sie einige Minuten den Blick auf ihre üppige Oberweite gewährt.
Noch frustrierender fand ich aber, dass der Film an eben der Stelle, wo es hätte interessant werden können, Angst vor der eigenen Courage hat: als Leroy mit einigen Freunden zum Gegenangriff gegen den Glatzenterror übergeht, gibt es eine kleine Keilerei und schliesslich halten die Zweifel Einzug bei der Mörderbrut von Evas Eltern. Eigentlich sind Faschos ja bekanntlich nur arme fehlgeleitete Jugendliche, denen halt grad der Jugendclub fehlt... Völckers hätte es einfach mal beim Kurzfilm lassen sollen. Wobei es nachdenklich stimmt, wenn er im Presseheft verkündet, dass "Leroy räumt auf" nur der Geldbeschaffung für den Langfilm habe dienen sollen. Dann einen dermassen belanglosen bis dümmlichen Film abzuliefern, ist irgendwie doppelt peinlich.
orcival
27. September 2007
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Zwar existieren einige Überblickswerke, und alle 10 Jahre erscheint ein neues, an Einzelstudien oder Studien über einzelne Regisseure mangelt es jedoch. Sieht man einmal ab vom Aufzeigen der Entwicklungslinien des neorealistischen Kinos der 50er Jahre, dessen Wurzeln halt in die Centri sperimentale di cinematografia (CSC) zurück reichen. Für eine solche Arbeit zu Rossellini siehe
Frank Ulrich Döge "Pro- und antifaschistischer Neorealismus - Internationale Rezeptionsgeschichte, literarische Bezüge und Produktionsgeschichte von La nave bianca und Roma città aperta, die frühen Filme von Roberto Rossellini und Francesco De Robertis Fascist and Antifascist Neorealism".
Eine Auseinandersetzung mit der Filmproduktion des italienischen Faschismus scheint mir jedoch äusserst aufschlussversprechend, da der italienische Faschismus in vielerlei Hinsicht (nicht zuletzt in institutioneller mit der Gründung der Cinecittà und eben der Centri sperimentale di cinematografia) grundlegend für den italienischen Film bis mindestens in die 80er Jahre hinein gewesen zu sein.
Lange Rede kurzer Sinn: durch Zufall bin ich letztens darauf gestossen, dass die Scuola nazionale di cinema in Zusammenarbeit mit der Cineteca nazionale an der Digitalisierung zahlreicher Filmzeitschriften der 30er bis 50er/60er Jahre arbeitet. Bereits verfügbar sind "Lo Schermo: rassegna mensile della cinematografia" und "Films in anteprima: settimanale di presentazione cinematografiche". Die Qualität ist leider nicht immer so, wie man sie sich wünschen würde, aber immerhin - bislang war es doch mit erheblichem Aufwand verbunden Zeitschriften der Zeit jenseits von "Bianco e nero" zu bekommen.
Digitale Bibliothek der Cineteca nazionale.
orcival
27. September 2007
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