Nach der datumsbezogenen Eisenstein-Huldigung dachte ich, ich könnt hier vielleicht mal wieder eines der Zitate kundtun, über die man sich so freut, wenn man Texte von den frühen Meistern des Films liest.
Warum ich das "frühe Meister" so betone ist, weil in diesen Texten oft noch ein Optimismus und teilweise vielleicht auch eine Naivität liegt, die später oft schwächer ausfällt oder verschwindet. Beim Wiederlesen solcher Texte kommt einem deswegen oft ein Gefühl von: "das war damals aber echt anders"! oder auch "sowas müsst mal mal wieder versuchen!" an.
Aber das sind wohl nur tapsige Versuche, meine Freude an diesen Texten zu rationalisieren. Und deswegen mach ich jetzt etwas, was ich nur schlecht kann und halt den Sabbel.
"Der Schatz optischer Vorstellungen wächst ständig. Er ist die Voraussetzung für eine abgekürzte Ausdrucksform wie für eine Tradition, auf der die Entwicklung weiter aufgebaut werden kann. Die künstlerische Technik des Films hat so eine Konvention geschaffen, die uns erlaubt, auf abgekürzte Weise zu denken und selbst solche Zusammenhänge zu begreifen, die unserem geistigen Aufnahmevermögen sonst verschlossen blieben. Eisenstein bezeichnet es geradezu als die kulturelle Sendung des Films, daß er 'wie keine andere Kunst dazu beitragen könne, die seit Jahrhunderten verloren gegangene Einheit zwischen Denken und Fühlen wiederherzustellen', gerade weil er imstande sei, selbst abstrakte Gedanken im Bild konkret anschaulich zu machen.
Der Mensch wurde auf dem Weg über das Auge in die Lage versetzt, auch komplizierte Prozesse ohne Schwierigkeit aufzunehmen. Aber erst als der Film eine bestimmte Höhe der Entwickelung erreicht hatte, erst nachdem er sich aus dem groben Stadium der Nachahmung befreit hatte, konnte er solche komplizierten Prozesse darstellen. Der noch weniger entwickelten künstlerischen Form blieben sie verschlossen. Darin wird der geschichtliche Sinn der Filmentwicklung deutlich: Erweiterung des geistingen Inhalts zu ermöglichen. Darin liegt auch der gesellschaftliche Wert der Form."
Hans Richter "Der Kampf um den Film" München: Hanser 1976, S. 62/63.
Eine interessante Fussnote zu diesem Text scheint mir zu sein, dass Peter Weiss in seinem ein Jahr später erschienenen Buch mit dem sehr zeitgeistigen Titel "Die Teifenstruktur des Filmkunstwerkes" unter dem Begriff des Wahrnehumgslernens etwas meiner Meinung nach durchaus Verwandtes beschreibt.
Auf dem gar nicht genug zu preisenden ubuweb gibt es eine ganze Anzahl der Avantgarde Filme von Hans Richter. Noch lange (wenn nicht ewig) wird man wohl warten müssen, bevor die Gebrauchs- und Werbefilme Richters zugänglich sind. Mich zumindest würden die extrem interessieren.
orcival
11. Dezember 2006
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