Der Film handelt von Umgang eines Bauern mit der Vergewaltigung und Ermordung seiner Frau durch seinen besten Kunden. Laut Programmtext "entwickelt [...; der Film] in seiner Geschichte von ökonomischer und sozialer Abhängigkeit allerdings eher ein ethnologisches Interesse.
Dieses zeigt sich 'in einer intensiven Einbeziehung der umgebenen Natur [...], in einer eindrucksvollen filmischen Gestaltung des Elements der Dauer, in der Musik sowie in expressiven Großaufnahmen von Gesichtern und Händen.« (Ulrich Gregor, in: Geschichte des Films ab 1960, 1978) - wieso die Einbeziehung von 'Dauer' von ethnologischem Interesse zeugen soll und was das mit "expressiven Großaufnahmen von Gesichtern und Händen" zu tun hat, ist mir persönlich eher schleierhaft, andererseits scheint mir das auch recht wurscht, weil es dem Film, den ich gesehen hab, um alles mögliche geht, aber nicht um Ethnographie.
Das was man an dem Film am ehesten als "Ethnographie" deuten könnte, ist wohl die Darstellung der Lebenswelt der Aymara-Indios; das allerdings sollte man aus politischen Erwägungen tunlichst nicht als ethnologisch bezeichnen, es geht ja gerade nicht um einen Blick aufs Fremde (mit wieviel Selbstspiegelung auch immer), sondern um das Stellung beziehen und auf eine Situation aufmerksam machen.
Für eine Lesart des Films als nachdrücklichen Hinweis auf die Lebenssituation der Indios im Bolivien der Zeit spricht auch die Wahl der Sprache - der Film ist nur teilweise auf Spanisch gedreht, weite Strecken sind in der Sprache der Aymara-Indios. (Man muss allerdings einräumen, dass ich das nur wiedergeben kann, zu sehen war leider leider aus Gründen der Beschaffbarkeit die deutsche Synchronfassung).
Ich denke diese Elemente: Hinweis auf die Lebenswelt der Indios, Sprachlichkeit und die getrennten Welten haben den Sprachtransfer und den zeitlich-geographischen Transfer ganz gut überlebt. Etwas unsicher bin ich mir, ob das Politische des Film (und die Gruppe Ukamau scheint da eine der wichtigeren zu sein. Die Handlung kippt in der Fassung doch etwas allzu sehr in menschliche Drama. Was mich zu einer anderen Frage treibt: nämlich der, wie sehr solche Filme zu ihrer Entstehungszeit in z.B. Europa an ihren Entstehungskontext rückgebunden wurden.
(Dass u.a. die Wahrnehmung der Welt außerhalb des industrialisierten Westens eine wichtige Rolle bei der Konstituierung der europäischen Neuen Linken und deren Wiederbelebung des Internationalismus gespielt haben, reflektieren die Kurator_innen in ihrer Bibliographie richtigerweise u.a. mit einem Aufsatz Christoph Kalters (1)) Andererseits scheint mir, während ich parallel mal wieder in Amos Vogels Klassiker Film as subversive Art blättere, unter anderem dessen Konzept der Subversion stark in Richtung Ent-Kontextualisierung zu deuten.
In einer solchen Lesart ist es übrigens eventuell interessant sich die Parallele zwischen dem Fanalende des Films - der Bauer erschlägt den Mörder seiner Frau in einer Montagesequenz ausgiebig - mit der Etablierung eines solchen Schlusses in anderen Kinoformen zu vergleichen: am nachdrücklichsten macht das der Italowestern, aber auch andere Filme wie etwa Johannes Schaafs Tätowierung, der letztes Jahr in der Arsenal "68" Reihe zu sehen war.
Wenn man solchen Entkontextualisierungen zu entgehen versucht, bleibt der Film - zumindest in der deutschen Synchronfassung - in den Details, von denen man annehmen darf, dass sie fast mehr von der politischen Vehemenz des Films tragen, als die Handlung, fast unverständlich.
(1) Christoph Kalter: „’Le monde va de l’avant. Et vous Ítes en marges’. Dekolonisierung, Dezentrierung des Westens und Entdeckung der ‚Dritten Welt’ in der radikalen Linken in Frankreich in den 1960er Jahren“, in: Archiv für Sozialgeschichte 48, 2008, S. 99-132.
(Kalter arbeitet derzeit am Potsdamer Zentrum für zeithistorische Forschung an einer Dissertation, die eben den Einfluss der Rezeption der Befreiungsbewegungen in der "Dritten Welt" auf die Linke in Frankreich und Deutschland vergleicht)
Diese Darstellung eines wichtigen Unterkapitels der bolivianischen Filmgeschichte unter dem sprechenden Titel DEL INDIGENISMO A LA GLOBALIZACIÓN, scheint mir hilfreich für den Hintergrund und zumindest den filmischen Kontext von Ukamau. Teil 1 Teil 2.
Wie ich ausserdem sehe, haben sich die Kolleg_innen von Jumpcut dem Themenkomplex auch schon mal angenommen.
Offline lohnt offenbar ein Blick in: Jorge Sanjinès und die Ukamau Gruppe (Hg.): Theory and Practice of a Cinema with the People. New York, Curbstone Press, 1989 [1979]. (auch diesen Hinweis entnehme ich der Bibliographie.
orcival
11. Mai 2009
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ANNONCE FILM SOCIALISME GODARD from fabrizio del dongo on Vimeo.
Das was ich in letzter Zeit an neueren Arbeiten von Godard gesehen hab, fand ich schon enttäuschend genug, aber nun auch noch in Kombination mit Politpathos? Mmmh, trotz einiger Befürchtungen mal gespannt was das wird.
orcival
9. Mai 2009
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Die Kolleg_innen von den Revolutionen stellen ein Interview mit Gleyzer zur Verfügung, das der seinem Kollegen Tomas Gutierrez Alea 1973 gegeben hat. Gutierrez Alea zeichnet immerhin verantwortlich für so Klassiker wie die Verfilmung von Edmundo Desnoes' Memorias del Subdesarrollo (aka "Memories Of Underdevelopment").
.
Und auf der Website zum Film gibts ein paar Texte über das Kino Gleyzers (allerdings auf Espanol). In diesem Sinne schon mal: Olè!
Ebenfalls am Wochenende läuft Ukamau: die gleichnamige Filmgruppe aus Bolivien ist vielleicht ein ganz spannendes Beispiel dafür wie das Thema Landarbeiterbewegung in das neue lateinamerikanische Kino der Zeit einfliesst. Zu der Gruppe gibt es ein auch ein bisschen was zu lesen: ein allgemeiner etwas schwurbeliger Artikel zur Gruppe Ukamau und das Manifest Kino und Gesellschaft von Sanjinés.
orcival
6. Mai 2009
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Die Reihe ist ja schon verschiedentlich heiß ans Herz gelegt worden. Dem schliesse ich mich natürlich vollkommen an. Ein solches Projekt, dass die Ausblendungen in der Gedächtnisproduktion an das unklare Gebilde das "1968" darstellt, war geradezu überfällig. Das was den Aufbruch trug, der die 60er und 70er Jahre prägte, war ja gerade nicht rotweinschlürfend in Adornoseminaren auf dem Boden zu sitzen, sondern konkrete politisch, repräsentationsreflektierende, internationalistische Praxis. So gesehen ist es konsequent, die Filme einer erneuten Sichtung zu unterziehen, die in diesem Kontext standen.
Die 34 Filme der Reihe bieten einen guten und über weite Strecken repräsentativen Einblick in die Filmpraxis der Produktionsländer. Zugleich gibt der Arbeitsaufwand, der nötig war, um die Filme zusammenzukratzen, ein Bild vom dramatisch beschränkten Zustand der Filmverleihe. Noch immer sind es die üblichen Verdächtigen wenn es an den Vertrieb nicht-europäischen Kinos jenseits von Schmonzetten wie Caramel geht. Den Kurator_innen der Reihe ist zu gratulieren diese Reihe trotz all der Filme, die man sich noch hineingewünscht hätte, realisiert zu haben.
Zwei Punkte seien noch erwähnt: der Notwendigkeit, die Filme der Reihe nicht als Kino-, sondern als Filmpraxis zu verstehen, hat das Kurator_innenteam insofern Rechnung getragen und eine Website zusammengestellt, die Zahlreiches versammelt, was die Intentionen der Filmemacher angeht. Die beklagenswerte Materiallage dürfte es nicht hergegeben haben, die Vertriebswege der Filme zu ihrer Entstehungszeit entsprechend zu beleuchten. Wer jedoch einmal Fernando E. Solanas erzählen gehört hat, wie sein Klassiker La hora de los hornos nicht durch die Kinos, sondern durch die Wohnzimmer und sozialen Zentren aufgeführt wurde, wird ahnen, dass sich hier noch politische Weiten öffnen.
Ebenso spannend, wie mit den vorhandenen Ressourcen unmöglich, war es wohl die Rezeption (hierzulande, wie vor Ort) zu beleuchten. Dies ist besonders bedauerlich, weil sich gerade an dieser wohl die politischen Prozesse hierzulande wie jene der Dekolonisation bzw. frühen nachkolonialen Geschichte noch besser verstehen liessen. (Einen Eindruck was an dieser Stelle passieren müsste, gibt Nils Seiberts Versuch, die Auseinandersetzungen der 50er bis frühen 80er Jahre als Vorläufer der Antirassistischen Bewegung zu interpretieren.)
So bedauerlich die Beschränkung auf die Filmgeschichte im engeren Sinne ist, wenn einem nach dem (Wieder-)sehen dieser Filme erneut ihre Vehemenz und Radikalität vor Augen steht, sie ist den Kurator_innen nicht anzulasten. Cecilia Valenti, Lukas Förster, Melanie Marx, Nikolaus Perneczky, Sarah Klaue und Stefan Eichinger einen herzlichen Dank für die Möglichkeit, diese Filme in dichter Folge zu sehen.
Die Reihe läuft noch bis zum 27. Mai im Zeughauskino.
orcival
6. Mai 2009
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orcival
1. März 2008
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Das heisst definitiv nicht, dass diese Filme damit abgewertet werden sollen. Und die Diskussionen innerhalb des PCI liessen zumindest bis in die 60er Jahre unter der Oberfläche eine durchaus rege kulturelle Debatte zu, die - anders als in Deutschland - die Assoziation von kommunistisch mit drögem Dogmatismus verkomplizieren. Andererseits fällt eben an Rosis Filmen auch der stetige positive Staats- und Rechtsbezug auf: meist gilt es das Recht bzw. den Staat vor Fehlentwicklungen zu schützen. Oft durch eine Art Einzelkämpfer wie in Cadaveri eccelenti (Die Macht und ihr Preis), Il caso Mattei (Der Fall Mattei) und Le Mani sulla città (Die Hände über der Stadt). Das bestätigt eine Einschätzung die Klaus Wagenbach unlängst auf einem Symposion zu Alberto Moravia auf den Punkt brachte: Wagenbach konstatierte die italienische Spezialität, dass der PCI bereits 1946 in die Rolle des Wahrers der Republik gedrängt wurde. Denn 1946 wollten die Konservativen, die die Monarchie - trotz deren Verbindung zum Faschismus - wieder einführen und der PCI war diejenige Massenorganisation, die die Republik befürwortete. (Zugegeben, historisch gibt es da noch ein paar Verwicklungen mehr, aber im Grossen ganzen stimmt das schon.)
Auch Rosi in dieser Linie zu finden, führt zu der Erkenntnis, dass zahlreiche Regisseure des italienischen Nachkriegsfilms entweder den Zirkeln der CSC (Centri sperimentale di cinematografia) der Spätphase des Faschismus entstammen, die eine Art Freiraum boten für filmisches Arbeiten und etwa die ersten Arbeiten Rossellinis und Antonionis ermöglichten und später aus Debatten des PCI hervorgingen.
Wenn man den Bedeutungsverlust des PCI, der durch den Aufstieg der Neuen Linken ab spätestens 1967 nur beschleunigt wurde betrachtet, und diese Entwicklung zugleich keine relevanten Regisseure hervorbrachte, wundert es auch weniger, dass das italienischen Kino nach den späten Filmen der Generation der 60er- 70er Jahre in den 80er Jahren zu stagnieren begann.
NB: Auch Pasolini, den man sicherlich ins Auge fassen dürfte, wenn es um einen Regisseur der Neuen Linken geht, scheint mir insgesamt eher von unorthodoxen Debatten des PCI-Umfeldes (etwa Moravia, Maraini etc) beeinflusst. In diese Richtung scheinen mir auch die Konflikte zwischen Pasolini und den (Studenten-)bewegungen der 60er Jahre zu weisen. Pasolinis Zusammenarbeit mit Lotta continua bei 12 dicembre etwa ermöglicht aber auch andere Deutungen.
orcival
21. Februar 2008
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orcival
12. November 2007
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Vom Dirndlfilmchen zum Italoporno - das ist deutsche Filmkunst...
orcival
10. Oktober 2007
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Der Film selbst war, soweit ich dies nach dem was ich davon gesehen hab, eher Degeto (in diesem Fall Bavaria) als Qualität, aber das war auch irgendwie egal.
orcival
4. Oktober 2007
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Auf newfilmkritk schreibt Volker Pantenburg über die materiellen Bedingungen der Filmproduktion und zwei Linien der 70er Jahre, um die Kameras einfacher, verfügbarer und damit für den direkten Kamerastil der Zeit geeigneter zu machen: Citizen Beauviala.
orcival
29. September 2007
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