"Planet Terror" heisst er also, der neuste Streich, den sich Regisseur Robert Rodriguez im Sandkasten der Männerphantasien zusammengeschaufelt hat: herausgekommen ist eine para-Tarantinosches Metafilmchen um Zombies und Biowaffen. (Ich hätte mir das Wortspiel, dass im derzeitigen Biowahn wohl ein Drehbuchhype für Biowaffen enthalten ist, beinahe verkniffen). Das mit dem para-Tarantino verwundert ja auch nicht weiter, ist der Film doch eigentlich als Doppelfeature mit "Death Proof" gedacht. (das übrigens führt zu ein paar Fake-Trailern, die mit das beste an beiden Filmen sind)
Wie bei Filmen dieser Art üblich steht die Welt vor einem Abgrund. Biowaffen, die Menschen zu Zombies werden lassen sind ausgetreten als sich Weltenretter Numero Uno Bruce Die Hard Willis das Antidope zu den Biowaffen beschaffen will, denen er ausgesetzt war als er Bin Laden in einer Höhle in Afghanistan die Fensterläden zugeknallt hat. So weit so üblich. Über weite Strecken passiert nun auch nicht mehr als dass eben ein paar Texassheriffs und ihre Hilfstruppe versuchen die Zombies unter Kontrolle zu halten, was nicht klappt und sich die Nicht-zombies schliesslich sequelverdächtig nach Mexiko absetzen.
Weil Rodriguez seine Zeit wohl damit verbracht hat, die Go-go-Musik zu klieren und der Tarantino Quentin seine Finger im Spiel hat, wird dazwischen ein bisschen mit Zitaten aus der Geschichte des B-Action-Kinos geprasst und Tarantino selbst darf schliesslich einen Ava-Gardner-begeisterten Vergewaltiger spielen, der sich seine Inspirationen von de Leons Klassiker "Women in Cages" holt - lustig ist ja was anderes...
Bisweilen gleitet der Film in die Erträglichkeit ab, wenn die Frauenrollen mehr sind als die logische Fortsetzung des Frau im Fellbikini der 60er im Zeitalter des CGI; und wenn die Protagonistin am Ende gar mit der lesbischen Frau eines zum Zombie mutierten Arztes in glücklicher Eintracht das Schlusspaar stellt, ist aus "Planet Horror" schon fast ein Film geworden, den man im richtigen Umfeld nicht mehr nur als ballernde Männerphantasie gucken könnte.
Die Sparte hetiges Actionkino ist diesen Sommer ja auch schon besetzt durch dem Bay Michael seinen Transformers, der mir immer besser gefällt je öfter ich den sehe. Aber gucken könnte man halt auch "Planet Terror" und der läuft am Donnerstag an.
orcival
25. September 2007
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Beide Filme scheinen mir neben vielem anderem, sonst wärens ja auch keine guten Filme, sehr intelligente Filme über Exotismus und damit eben immer wieder auch Rassismus und dessen zu sein, was üblicherweise unter Postkolonialismus verhandelt wird.
Worum gehen die Filme:
Prater, der bislang erstaunlich wenig mediale Aufmerksamkeit bekommen hat, ist eine Art Kulturgeschichte des Wiener Praters. Darin verbinden sich natürlich die Geschichten der Personen, die diesen zumindest damals grösstne Dauerrummel Europas bevölkerten mit der "grossen" Geschichte, die immer wieder aufblitzt: etwa der "Arisierung" des Praters nach der Vereinigung Deutschlands und Österreichs. In teilweise wunderbar mehrschichtigen Bildern gelingt es Ottinger immer wieder, diese Kulturgeschichte wirklich in Bildern zu erzählen und nicht nur zu illustrieren. Eines der Bilder, das sich mir seit dem Sehen auf der Berlinale am besten eingeprägt hat, ist beispielsweise das einer indisch aussehenden Familie, die sich in amerikanische Kostüme der Zeit des Sezessionskrieges fotografieren lässt und dabei gefilmt wird.
Der Film läuft in Berlin in drei Kinos und im Oktober nochmal im Arsenal im Rahmen einer Gesamtretrospektive der Filme von Ulrike Ottinger. Die Retrospektive findet statt im Kontext einer grossen Ausstellung, der Fotos Ulrike Ottingers, die im über dem Arsenal und unter der dffb gelegenen Filmmuseum stattfindet. "Gross" ist die Ausstellung allerdings nur in der Hinsicht, dass sie sehr schön und gut gemacht ist und die erste dieser Art ist. Beim Durchgehen hätte man sie sich allerdings noch viel grösser gewünscht.
Mehr Infos zum Film auf der Website zum Film.
Der zweite Film hat für seine mediale Umsetzung schon viel Aufmerksamkeit gekriegt, für die intelligente Auseinandersetzung mit deutschen kolonialen Wissenschaftlern weniger. Die Rede ist von Philipp Scheffners "The Halfmoon Files". Scheffners Film zeichnet ausgehend von der Stimmaufnahme eines indischen Soldaten in einem Kriegsgefangenenlager des Ersten Weltkrieges die von jeder Reflektion den vom eigenen rassistischen Tun unbefleckten Aufbau eines Archivs "aller Stimmen der Völker" durch den Sprachforscher Wilhelm Doegen. Was jetzt unglaublich dröge klingen mag, ist in der Umsetzung jedoch extrem spannend und Scheffner zeigt sich auch immer wieder offen dafür, der Geschichte des Spracharchivs ihre humorvolle Seite abzugewinnen, etwa bei einer Aufnahme mit Kaiser Wilhelm Zwo.
Dessen Absurdität vorgeführt zu haben, oblag bislang ja vorallem dem Hörstück "Deutsche Krieger" von AmmerEinheit, Scheffners Fundstück mit der Aufnahme einer Hetzrede Wilhelm Zwos, der arge Schwierigkeiten mit der Aufnahme hat, ist aber in sich schon Sample genug, um als solches wiedergegeben zu werden.
Wer kann, sollte den Film unbedingt sehen. Und nicht auf morgen verschieben, in vielen Städten läuft der Film wie auch in Berlin nur kurze Zeit...
Auch hierzu mehr Infos auf der Website zum Film.
orcival
17. September 2007
(0 Shpiel)
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Normalerweise steigt die Enttäuschung über die Verfilmung eines Buches ja proportional zur Begeisterung über das Buch, im Falle der Verfilmung von Fred Vargas "Pars vite et reviens tard" (auf deutsch firmierte das Buch unter "Fliehe weit und schnell") kann man allerdings durchaus zufrieden sein. Die Übertragung der eigentlichen Geschichte eines symbolischen Pestausbruchs in Paris auf die Leinwand funktioniert sogar ziemlich gut. Und dass der Film mehr beziehungsweise auf andere Weise von Thrillerelementen lebt als das Buch das tut, kann man wohl auch akzeptieren.
Das grösste Manko des Films ist meines Erachtens die Besetzung der Protagonisten. Weder José Garcia als Jean-Baptiste Adamsberg noch Lucas Belvaux als Danglard entsprechen der Idee der Figuren. Die Besetzung trägt zu einer Glättung bei, die nicht nötig gewesen wäre. Der Adamsberg des Romans ist ein eingenbrödlerisch bis autistischer Landschrat, dessen Äusseres seine Gegenüber verwirrt, weil es aus unerklärlichen Gründen schön ist. Garcia aber ist geradezu prototypenhaft jemand, auf den man sich wohl würde einigen können als schönen Mittvierziger. Und Danglard ist im Buch ein eitler zur Dicklichkeit neigender Säufer, der Wert auf perfekte Kleidung legt. Im Film ist aus dieser Figur ein Flic geworden, der Standardanzüge trägt und dessen Charakter insgesamt eher fahl bleibt.
Geblieben ist ein netter gut sehbarer Thriller, der wohl hierzulande nie in die Kinos kommen wird und in zwei drei Jahren auf arte zu sehen sein wird. Wer das Buch kennt, der/die wird in dem Film eventuell etwas mehr sehen (oder eben doch enttäuschter sein als ich es war...).
Weil die Gelegenheit sich bietet, sei jedoch jedem/r, die noch nicht das Vergnügen hatte, Frankreichs klügste Krimiautorin zu geniessen, dringend empfohlen, dies nachzuholen. Denn: wer sonst weiss schon für was das Kürzel CLT steht...
orcival
8. September 2007
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Nachdem heute Previewtermin war, nun wie versprochen ein bisschen was Näheres zum Asian Women's Film Festival, das von der Koreanischen Frauengruppe Berlin e.V. organisiert ist und vom 19. bis 23. September stattfindet.
Zu sehen gab es den koreanischen Klassiker "The Daughters of Pharmacist Kim" von Hyun-Mok Yu aus dem Jahr 1963, sowie die beiden neueren Filme "Love Conquers All" (von Chui Mui Tan; Malaysia 2006) und "The Waikiki Brothers" (von Soon-Rye Yim; Korea 2001).
"The Daughters of Pharmacist Kim" (OT: "Kimyaguk ui ttaldeul") handelt von der Entwicklung der Familie des ehemaligen Apothekers Kim, der seinen Beruf wechselt und Fischer wird, nachdem er einen Selbstmord miterleben musste. Die Familie erleidet in der Folge wirtschaftlichen Niedergang und auch das Ansehen nimmt Schaden, als eine der Töchter, Yong-ran, eine Affäre mit dem Hausknecht anfängt.
Das Hauptaugenmerk des Films liegt (und deshalb läuft der Film wohl auch auf dem Asian Women's Film Festival) auf den Beziehungs-, Ehe- und Ehrvorstellungen, mit denen die jungen Frauen umgehen müssen. Die vier Töchter, die älteste schon Witwe, Yong-bin, die vor allem als nach Bildung strebende junge Frau charakterisiert wird, Yong-ran, die ihre sexuelle Freiheit auslebt, und schliesslich die vierte Tochter, die vor allem als christlich charakterisiert wird, erleben alle auf ihre Weise über lange Zeit das Scheitern ihrer jeweiligen Lieben oder Ehen.
Der Pressetext und das Programmheft heben beide die Berühmtheit der SchauspielerInnen des Films hervor, die ich allerdings mit meinen mangelhaften Kenntnissen koreanischer Filmgeschichte nicht einschätzen und hier nur weitergeben kann. Wenn das so stimmt, muss ich anmerken, dass mich die Schauspielerei oft an die Art erinnert hat, wie SchauspielerInnen kurz nach Erfindung des Tonfilms noch im übertriebenen Zeigen befangen sind, das bis dahin nötig war. Auch technisch überzeugt der Film in meinen Augen nur begrenzt; bleibt der Film doch allzu oft in einer eher biederen Bildsprache stecken. Als Dokument über Rollenvorstellungen im Korea vor der Unabhängigkeit (Zeit der Handlung) bzw. der 60er Jahre (was die Entstehung des Films angeht) oder diverser Einflüsse auf die koreanische Gesellschaft wie das Christentum und das Verhältnis zu Japan ist der Film jedoch allemal einen Blick wert.
Von den drei Filmen, die es heute zu sehen gab, hat mich "Love Conquers All" (von Chui Mui Tan; Malaysia 2006) am meisten überzeugt. Der Film erzählt eine Mischung einer Ferienliebesgeschichte und Frauenhandel. Ah Ping (Coral Ong) lernt als sie vom Land nach Kuala Lumpur kommt, um im Imbiß einer Verwandten zu arbeiten, John kennen. Während sie ihn zunächst deutlich abblitzen lässt, lässt sie sich später doch auf eine Affäre mit ihm ein. Eines Abends erzählt John Ah Ping von seinem Cousin, der als Zuhälter arbeitet und davon lebt, Frauen ins Ausland zu verkaufen. Dann verschwindet John und Ah Ming lässt sich darauf ein, mit einem fremden Mann in einem Hotel für Geld Sex zu haben.
Chui Mui Tans Film balanciert zwischen eher introvertierten Bildern, die durch die DV-Aufnahmen bisweilen etwas von einer Amateurvideoästhetik haben und verstörenden Szenen.
Mehr Infos zu dem Film gibt es auf dem Blog der Produktionsfirma Da Huang Pictures, die die Regisseurin Chui Mui Tan gemeinsam mit Amir Muhammad 2004 gegründet hat: klick. Wer noch mehr will oder den Trailerlink sucht, findet ihn auf der Filmseite des Karlovy Vary International Film Festival.
"Waikiki Brothers" von Soon-Rye Yim ist die Geschichte des Niedergangs einer Highschool-Jungen-Band und des Traums von einem Leben als Musiker. Das Leben als Band ist jedoch unter anderem durch das Aufkommen der Karaokemode, die zu einer Vereinzelung der Menschen führt. Anders als das Kollektiverlebnis in Karaokebars scheint Karaoke in den meisten Fällen eher in Kabinen oder abgetrennten Hinterzimmern stattzufinden. Wie ausgeprägt der Niedergang der Bandkultur ist, zeigt der Film in einer Szene, in der der Fahrer des LKW, der die Waikiki Brothers per Anhalter weitermitnimmt, von seiner eigenen Bandvergangenheit erzählt, die er gezwungenermassen für das Fahrerdasein eingetauscht hat.
In den besseren Momenten hat der Film etwas Kaurismäki-haftes, das Gros der Zeit jedoch geht für die On-screen-Wiedergabe pathetischer Lieder in gruseligen Rüschentrashkostümen drauf, die zwar den Niedergang der Band hervorragend verdeutlichen. Weniger schlechte Musik hätte dem Film aber wohl trotzdem gut getan und ein bisschen mehr Kurzfassen wäre dem Film insgesamt ohnehin nicht abträglich gewesen...
Nach einer recht subjektiven Umschau im sonstigen Programm werde ich wohl vor allem auf einige Queerfilmchen hoffen:
z.B. "Ground Walk" [OT: You yuandi] (von Gilitte Leung; Hong Kong 2005), "Spider Lilies" [OT: Ci qing] (von Zero Chou; Taiwan 2007), "Over the Lezbow" (von Zin-Young Choi; Korea 2007); "Women 50 Minutes" [OT: Nüren 50 fenzhong] (von Shi Tou; China 2006).
Daneben gibt es einige Filme über Arbeitskämpfe, die einen Blick wert sein dürften: "We Are Not Defeated!" [OT: Urideul eun chonguipada] (von Hye-Ran Lee; Korea 2006) sowie "Nogada - Construction Worker" [OT: Nogada] (von Mire Kim; Japan/Korea 2005).
Zudem bietet das Festival eine Möglichkeit Momoi Kaoris Regiedebut "Faces of a Fig Tree" [OT: Ichijiku no kao] (Japan 2006), das im diesjährigen Forum des jungen Films der Berlinale lief, erneut zu sehen. Mit zunehmenden Abstand scheint mir meine Unzufriedenheit mit dem Film eher meiner Übermüdung während des Festivals geschuldet, als dem Film selbst. Insofern auch ein kleiner Tipp...
Etwas mehr Infos gibt es auf der Festivalseite und der Programmseite des Arsenals. Beide Seiten bieten leider bislang nicht allzu üppige Infos. Vielleicht wird das ja noch besser...
Bildnachweis
Die Bilder entnehme ich bis auf "Love conquers all" dem Pressematerial. Das Bild zu "Love conquers all" entstammt dem Blog der Produktionsfirma.
Nachtrag:
für einige zusätzliche Hinweise und Korrekturen von Missverständnissen meinerseits danke ich Sun-ju Choi.
orcival
8. September 2007
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1) Paulas Geheimnis ist einer dieser lass-uns-mal-die-Story-kicken-is-ja-ein-Kinderfilm-Kinderfilme, die ja leider viel zu oft gedreht werden und dazu meines Erachtens viel zu heteronormativ und rassistisch, aber das kann man vielleicht auch anders sehn.
2) Wirklich fernab jeder Diskussion ist hingegen "Bis zum Ellenbogen" der das bei weiten nervigste war, was ich im letzten halben Jahr gesehen hab. Ein Drehbuch, das so schlecht ist, dass man hofft, es habe wenigsten nie existiert und trotz guter Schauspieler wie Jan Josef Liefers eine zähe Darstellerei, dass es echt keine Freude macht, 90 Minuten Leinwand-Beflimmerung zu ertragen: bloss nicht angucken!
Weil ich also nicht recht was gesehen hab, was der Empfehlung wert wäre, ein paar Tipps aus dem Kinoangebot der Programmkinosparte. Die Tipps fürs Kino gelten leider erstmal nur für Berlin, aber vielleicht finden einige der Tipps ja ihren Weg auch woandershin...
orcival
4. September 2007
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der Film scheint mir die Punkbewegung der DDR als vollkommen abgelöst von der Punkbewegung ausserhalb der DDR darzustellen. Und damit gerät die Darstellung in das Fahrwasser einer Logik a la "Rebellion gegen böses System - böses System kollabiert - Rebellion überflüssig". Schwer zu sagen, ob das so stimmt oder ob es zumindest weitgehend so wahrgenommen wurde, aber das scheint mir doch die Historisierung zu sein, die der Film angeblich auch hinterfragt.
Das Verhältnis zu Punkbewegungen ausserhalb der DDR oder auch die Veränderungen in Themen, deren die Rebellion sich scheinbar nur bediente (in der Besprechung hatte ich beispielhaft die Sexualpolitiken genannt), dürften aber aufschlussreicher sein, wenn es dem Film um die Fernwirkung des Phänomens zu tun ist. Eben das scheint aber nicht so zu sein.
orcival
26. August 2007
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"L'enfant endormi" (Das eingeschlafene Kind) ist der zweite Langfilm und zugleich das Spielfilmdebut der marokkanischen Regisseurin Yasmine Kassari, die zuletzt in der Dokumentation "Quand Les Hommes Pleurent" die Situation marokkanischer männlicher Migranten nach Spanien beschrieben hat. "L'enfant endormi" beginnt mit der Hochzeit der Protagonistin Zeinab, die am Vorabend der Abreise ihres Mannes nach Europa stattfindet. Zurückbleiben die Frauen und der enttäuscht aus Europa zurückgekehrte Amziane. Nach anfänglichem Warten auf die Rückkehr beginnen die Frauen mehr und mehr ihr eigenes Leben zu leben.
Kassari schildert in "L'enfant endormi" die andere Seite der Migration aus den Ländern des Maghreb nach Europa - die der Zurückgebliebenen. Mit grosser Sensibilität zeigt sie den Alltag der Frauen zwischen dem Ausleben der Freiräume und der Begrenzung durch die Moralvorstellungen des Dorfes, den Kassari mit dem ungeklärten Nebeneinander von säkularen Demokratievorstellungen und traditionellen Vorstellungen verbindet.
Trotz der sehr ruhigen bisweilen etwas langatmigen Art des Films ist "L'enfant endormi" eine sehenswerte Beschreibung der Migration gegen die sich Europa abschottet und ihrer Effekte in den Ländern, aus denen die Menschen aufbrechen. Wer sich also auf das Tempo des Films einlassen kann, der wird mit einem lohnenden und interessanten Film belohnt.
Wer französisch liest, der/die sei auf ein recht lesenswertes Interview von Arnaud Claes für das französischen Onlinemagazin comme au cinema mit der Regisseurin klick.
Des Französischen noch weniger mächtige Menschen als ich seien auf das Interview im Presseheft zum Film verwiesen: klick.
Die DVD ist erschienen bei trigon-film. Entleihbar ist der Film in Berlin ab nächsten Monat im Videodrom.
orcival
25. August 2007
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"I will now pronounce you Chuck and Larry" muss aus Sicht der Filmindustrie die perfekte schwule Komödie sein, die das schwule wie das heterosexuelle Publikum gleichermassen anzusprechen versucht. Dass diese Kalkulation aufgeht, scheint das bisherige Einspielergebnis des Films von knapp 35 Millionen Dollar zu sein (sowie die Tatsache, dass der Film damit “Harry Potter and the Order of the Phoenix" auf Rang 2 verwies.
Der Film strotzt vor Klischees, die vom Hauptplot über die Darstellung der hach so exaltierten Statisten reicht. Trotzdem: der Film schafft es immer wieder trotzdem als Komödie zu funktionieren. Die Story selbst ist bekannt: eine Ehe, die aus praktischen Gründen (in diesem Fall die Absicherung der Kinder durch die Lebensversicherung) geschlossen wurde und am Schluss trotzdem eine "echte Ehe" zu werden scheint. Die Ausführung dieses Uralt-Plots findet diesmal vor dem Hintergrund einer Gruppe von Super-Alphatierchen-New-Yorker-Feuerwehrmännern statt.
Nachdem einer der Feuerwehrmänner, Larry, erfährt, dass er den Begünstigten seiner Lebensversicherung nur nach einer Hochzeit ändern kann, heiratet er kurzentschlossen seinen Kumpel Chuck, der seine Tage üblicherweise damit zubringt, die New Yorker Damenwelt ins Bett zu kriegen. Als die beiden ins Fadenkreuz der Finanzfahndung geraten, müssen sie sich alle Mühe geben, um der Welt ein schwules Pärchen vorzugaukeln.
Belassen wir die Schilderung der Handlung einfach dabei, spannender wird es nicht und kommen zu den Pros und Contras:
das grösste und bisweilen recht nervige Defizit des Films ist in jedem Fall die ständige Benutzung von Stereotypen und Klischees. Insbesondere die Frauenrollen bleiben irgendwie auf dem Niveau rollegewordener Männerphantasien stehen und über rassistischen Exotismus in Bezug auf den natürlich muskulösen und singenden Schwarzen oder den japanischen Priester/Rabbi, der die beiden traut, sollte man willens sein hinwegzusehen, wenn man den Film sehen will.
Der grösste Pluspunkt des Films ist aus meiner Sicht die Darstellung von Larrys Kindern. Die beiden sind eine zwar ebenfalls nicht klischeefreie, aber doch angenehme Vertauschung der gender-Erwartungen: der Sohn ist vom Tanzen und Singen begeistert, während die Tochter eine echte Sportskanone ist und lieber Baseball spielt, während ihr Bruder mit ihrer Puppenküche spielt. In wieviel Filmen findet man schon ein gender-Bewusstsein bei der Erziehung dargestellt... Der andere grosse Pluspunkt ist in meinen Augen die Tatsache, dass und wie Chuck und Larry als Heteros in ihrer Rolle als schwules Pärchen die Homophobie ihres Umfeldes zu spüren bekommen. Und dann eben teilweise auch sehr handfest zurückschlagen. Zu den Höhepunkten des Films gehören denn auch unbedingt die Szenen, in denen Chuck einem Priester, der ihn als "faggot" beschimpft kräftig eins auf die Fresse gibt und eine ähnliche Szene, in der sich Larrys Sohn gegen die Pöbeleien eines Schulkameraden wehrt: dem Schlag weicht er durch Seitspagat aus und setzt den Angreifer anschliessend durch einen einzigen Schlag in die Weichteile ausser Gefecht.
Ein klares Manko des Films ist definitiv das Ende. Vor Gericht stehen alle Kollegen, die sich zuvor vor Homophobie überschlugen, Chuck und Larry bei und die Männerbündelei unter echten, wahren Feuerwehrmännern triumphiert. Und dann enden Chuck und Larry auch noch beide in den Armen, der (in Chucks Falle einen!) Frau, die sie lieben... Reintegration in die heterosexuelle Komödiennorm geglückt - mission accomplished!
Wie man wahrscheinlich merkt, weiss ich nicht so recht, was ich von "I will now pronounce you Chuck and Larry" halten soll. Der Film hat durchaus seine Momente und ist als Komödie Filmen wie "School for Scoundrels" ("Der Date Doktor") um Meilen überlegen. So recht überzeugen tut der Film (nicht zuletzt wegen des Endes) dann allerdings auch wieder nicht. Versuchen wirs mal so: wer die Klischees erträgt und eine Schwäche für trashige Komödien hat, dürfte bei dem Film auf einen unterhaltsamen Abend kommen, wer nicht, lässt das lieber und kramt die alten John Waters Filme raus.
Verwiesen sei bei dieser Gelegenheit und ob des Themas Feuerwehrmänner in den USA und Männerbündelei unter diesen auf Stefanie Jordans ganz wundervolle Doku "Some Real Heat" über Feuerwehrfrauen in San Francisco. Stefanie schildert in dem Film mit ebenso grossem Interesse wie merklicher Begeisterung die Arbeit einiger der wenigen Feuerwehrfrauen. Den Film gibt es hier zu beziehen und da gibts auch ein paar Presselinks: Some Real Heat unter den Presselinks auch Katrin Kruses taz-Artikel Löschen nicht zähmen.
orcival
16. August 2007
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Francois Ozons neuer Film "Angel" über eine aus ärmlichen Verhältnissen aufsteigende Kitschschriftstellerin im 19. Jahrhundert, mithin am Ende des Goldenen Zeitalters des Schundromans, ist meiner Ansicht nach vor allem eines: ein leider nicht ganz gelungenes Experiment mit der Form "Historienschinken" a la "Gone With The Wind" und "Sissi" und des Technicolor-Popcornkinos der 40er/50er Jahre.
In formaler Hinsicht ist dieser Versuch dank der handwerklichen Fähigkeiten von Ozon, Denis Lenoir (Kamera) und der Ausstattungscrew auch durchaus gelungen. Der bewußte Farbeinsatz (bei dem ich irgendwie immer sagen würde, das sei eine französische Tradition spätestens seit Godard, ohne dies aber wirklich belegen zu können. Stimmt das so?), die Szenen mit Kutschenfahrten, bei denen die Insassen sichtlich vor den Hintergrund gesetzt werden, die Detailverliebtheit, all dies ruft zugleich wunderbare Reminiszenzen an eine vergangene Kinozeit ab und schafft zugleich eine Atmosphäre der Künstlichkeit. Das mag bisweilen etwas effektheischerisch sein, ist jedoch im Gesamtbild recht stimmig.
Man mag es nun nach den nur halbbegeisterten Einleitung und der Eloge auf die Machart des Films erwarten: da Problem scheint mir in Ozons Umgang mit der Handlung und der Handlung selbst zu liegen. Dabei ist die Geschichte des Aufstiegs der titelgebenden Protagonistin Angel, die sich im wahrsten Sinne des Wortes in eine bessere Welt schreibt, in den Anschlussmöglichkeiten in Richtung Aufstiegsträume oder der Reflektion des Massenmediums Schundroman durch das Massenmedium Historienschinken durchaus recht vielversprechend. Und auch der masslosen künstlerischen Selbstüberschätzung von Angel schaut man durchaus gern und fasziniert zu. Zumal wenn sie auch nachdem sie sich einen gewissen materiellen Reichtum erschrieben hat, nicht aufhört sich die Welt rosarot zu träumen.
Was Ozon jedoch mit dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Protagonistin zunehmend abhanden kommt, ist die Distanz zum Geschehen durch die offen künstliche Form. Eben diese Distanz aber scheint mir, hätte mir mit ihrem Spiel zwischen Darstellung, Nachspielen und Analysieren des Historienfilms den Reiz des Films ausmachen können. Mit dem Scheitern und Wegfallen dieser Distanz wird aus "Angel" gegen Ende eben doch nur ein Kostümzuckerwattenfilm mehr, dem sein darüber hinausgehender Existenzgrund abhanden gekommen ist.
orcival
12. August 2007
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Inhaltlich ist OstPUNK! für mich als später geborenen Wessi durchaus interessant. Aber andererseits, so richtig viel erfährt man irgendwie doch auch wieder nicht. Der Film ist viel zu viel damit beschäftigt, die ProtagonistInnen dabei zu filmen, wie sie erklären, dass damals halt doch irgendwie alles anders gewesen sei und sie heute halt reifer und weiser sind. Diese Distanzhuberei trifft natürlich nicht auf alle gleichermassen zu, aber scheint die Filmemacher irgendwie beinahe mehr interessiert zu haben als der Inhalt und die Implikationen der Rebellion von damals.
Am augenfälligsten wird das, wenn das veränderte Verständnis von Beziehungen an ein paar Fotos von knutschenden Punkern abgehandelt wird und nicht gefragt wird, wieviel Spielraum für das Austesten von nichtklassischen Rollen dabei erobert wurde. Ebensowenig scheint es die Filmemacher zu interessieren, wie diejenigen unter den Interviewpartnern, die kurz vor der Wende halb freiwillig halb gezwungenermassen in den Westen (meist Berlin) kamen, die Zeit kurz nach der Wende in Berlin mit den Kämpfen um besetzte Häuser und ähnlichem wahrgenommen haben.
Sehenswert ist der Film an vielen Stellen für die Interviews und die Lebenswege der ProtagonistInnen irgendwie trotzdem, aber man muss Anke Wiesenthal wohl ein ganzganz grosses Lob für den Schnitt aussprechen, der mit viel Humor und Erkenntnisgewinn eine wichtige (Kommentar-)Ebene des Films darstellt.
orcival
12. August 2007
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