Ich hatte vor einiger Zeit ja schon mal angesprochen, dass Mehdi Charefs Klassiker nun endlich auf DVD vorliegt. Und nun dachte ich, sollte ich vielleicht noch ein bisschen ins Detail gehen, was Film und DVD angeht:
Als Charef 1985 den Film fertig hatte, fiel er damit in eine Periode in Frankreich in der zum einen der Rassismus am erstarken war und etwa Le Pen erste grössere nationale Erfolge hatte und zugleich es erste grössere Anti-rassistische Initiativen gab. Diese beschäftigten sich unter anderem mit dem von offizieller Seite ignorierten Phänomen der Einwanderer zweiter Generation, sprich der Kinder der eigentlichen MigrantInnen. Während diese in offizieller Lesart schlicht und einfach Franzosen waren, sah die Realität anders aus. Der Alltag war geprägt von rassistischer Diskriminierung durch einzelne ebenso wie von institutioneller Seite (Polizei etc.).
In diese Situation hinein nun begannen einige Filmemacher, das zu tun was Filmemacher eben so machen, nämlich Filme: und zwar zunächst mittels der neuen Möglichkeiten der Videotechnik Filme von und für die "Community" der Wohnsilos. Dazu gehörte unter anderem Mehdi Charef, der bis dahin vor allem als Autor verschiedener autobiographisch motivierter Romane in Erscheinung getreten war und als Fabrikarbeiter seine Croissants verdiente.
Sein Debüt "Der Tee im Harem des Archimedes" entstand mit Hilfe des Ehepaars Costa-Gavras und schlug ein wie eine Bombe. Heute umschreibt man diesen Effekt mit der Feststellung der Film habe das Cinema beur b(mit-)begründet.
Der Film handelt von Madjid und Pat, die in einem der HLM-Wohnsilos leben und sich mit kleineren Gaunereien das dazu nötige Kleingeld verschaffen. Dass die beiden sich ausserdem als Hobby-Zuhälter betätigen und der Film überhaupt eine sehr sehr männliche Sichtweise schildert, mag man mit 20 Jahren Abstand begründen. Wirklich besser wird es dadurch auch nicht.
Charef schildert das Leben in der Banlieue durchaus differentiert und einige Szenen lassen Parallelszenen aus Filmen zu ähnlichen Themen wie Horace Ovés "Pressure" oder Gurinder Chadhas grossartigen "Bend it like Beckham" Vorgänger "Bhaji On The Beach" im inneren Kino laufen.
Der Film sei also all jenen nachdrücklich ans Herz gelegt, deren Banlieuefilm-Kenntnisse sich bisher auf Hass beschränkten...
Um nun meine Propaganda an dieser Stelle um die Möglichkeit weiterer Information zu bereichern hier der Hinweis auf
a) ein leider (?) französisches Interview mit Charef
b) sei darauf hingewiesen, dass offline in den letzten beiden Jahren gleich zwei Bücher zum Thema Cinema beur erschienen sind:
Cornelia Ruhes Buch 'Cinema beur' aus dem Buch gibt es hier auch ne Leseprobe .
Das bessere Buch zum Thema aber ist meiner Meinung nach von der ohnehin grossartigen Carrie Tarr "Reframing Difference: Beur and Banlieue Filmmaking in France"...
P.S.: Ansonsten hat der Film mal wieder den sehnlichen Wunsch ausgelöst, es möge sich endlich ein deutscher Verleih für Djamila Sahraouis wunderwundervollen Barakat! finden, der letztes Jahr auf der Berlinale lief... Sowie natürlich die Hoffnung, es mögen nun endlich bald mehr Filme von Charef als bloss Daughters of Kelthoum auf DVD erscheinen.
Die DVD zu "Der Tee im Harem des Archimedes" ist übrigens bei Kinowelt erschienen und überall kaufbar...
orcival
31. März 2007
(4 Shpiels)
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Weil in letzter Zeit doch einige Menschen mit dem Schlagwort "KDD" von Google an mich verwiesen wurden, dachte ich, ich komm euch allen mal ein wenig entgegen und schreib auch mal was dazu.
Warum also ist KDD - Kriminaldauerdienst eine so erfreuliche Ausnahmeerscheinung im deutschen (und für mich heisst das in der Regel und bei aller Kritik - öffentlich-rechtliches) Fernsehen?
Zum einen ist da die Tatsache, dass die Serie anders als etwa die Konkurrenz von Der Alte oder Siska die Serie nicht von Schnarchnasen jenseits des Rentenalters handelt, die einen Eifersuchtsmord nach dem anderen Aufklären und sich dazu durch grau-braune Bildsossen quälen, die die Münchner Wannabe-Schickeria zeigen. Statt dessen spielt KDD im guten alten Kreuzberg. Und zwar ohne dabei jene Aufgeregtheit an den Tag zu legen wie es Medien wie die Stuttgarter Zeitung oder eben das ZDF sonst so tun, wenn das Stichwort 'Kreuzberg' fällt.
Dann ist auch die Struktur, keine wirklichen Einzelfälle, sondern eine Gesamthandlung, eine angenehme Abwechslung. Wenn man auch feststellen muss, dass die 45 Minuten pro Folge zu kurz sind und die Serie sehr gewinnen würde wenn die Länge auf etwa 60 Minuten steigen würde.
Auch in Hinblick auf die Darstellung schwul-lesbischen Lebens ist die Serie überraschend gut gemacht. Kein "Schwule/Lesben sind doch auch Menschen..."-Scheiss, sondern eine schlichte unaufgeregt Schilderung, sind zwar für sich genommen keine Revolution, aber angesichts des Vergleichsmassstabes doch nahe dran.
Dass einer der zwei Autoren Orkun Ertener dabei auf jahrelange Erfahrung bei den "Bayern-Tatorten" verweisen kann, die unterdessen zu den besten der Reihe gehören, zeigt, dass Reihen wie eben Tatort im günstigsten Fall auch ein Feld sein können, auf denen eher einige Dinge ausprobiert werden, die später eventuell auch eher in einem eigenen Format umgesetzt werden, als ewig gleiches ad calendas graecas zu wiederholen.
Kurz gesagt: KDD ist eigentlich nicht mehr als gute (Fernseh-)Krimiunterhaltung, aber das ist normalerweise halt mehr als man erwarten darf...
orcival
31. März 2007
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Wenn das mal keine guten Nachrichten sind: Deutschlands intelligenteste Krimiserie, die erstaunlicherweise auch noch im ZDF läuft wird fortgesetzt. Die zweite Staffel von "KDD - Kriminaldauerdienst" ist geplant. Womit einem auch weiterhin jenes Kleinod der Fernsehkritik erhalten bleibt, das darin besteht, dass vor der stets gleichbleibend drögen Krimikost, die einem die Gerontokratie des ZDF ab 20:15 vorsetzt ein kurzer Trailer für KDD läuft. Der Übergang vom Trailer zu Serien wie "Der Alte" (brrrrrrr...) wirken einfach immer wie ein Eimer kalten Wassers und lassen einen wissen, dass trotz des einen Glücksgriffes das ZDF noch immer dasselbe geblieben ist....
orcival
20. März 2007
(0 Shpiel)
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Da es sonst schwer geworden sein dürfte, den Film in näherer Zeit noch mal zu sehen zu kriegen, beschloss ich mich also schniefend und hustend gestern ins Arsenal zu begeben, um Kihachi Okamotos "Nikudan" ("Human bullet") zu sehen.
Um das vorweg zu nehmen: ich fand den Film insgesamt eher zwiespältig.
"Nikudan" erzählt in teilweise durchaus als drastischen, skurillen Episoden den Einsatz eines japanischen Soldaten am Ende des Zweiten Weltkrieges als "Lebende Bombe". Dabei stellt Okamoto die Ehrfurcht, die der Soldat, der insgesamt eher in die Kategorie armes Würstchen fällt und dessen Ausbildung vorrangig aus den damit verbundenen Hänseleien und Schikanen bestand, erntet sobald die Menschen von seiner "Mission" erfahren mit der vollkommenen offensichtlichen Sinnfreiheit des Einsatzes gegenüber.
So rennt der Protagonist erst als "Training" minutenlang mit einer sandgefüllten Dummy-Kiste durch die Dünen, um schliesslich dazu abkommandiert zu werden, in einem Fass an einen Torpedo gebunden und auf dem Meer ausgesetzt auf eventuelle feindliche Schiffe zu warten.
Als anti-patriotische Polemik funktioniert der Film erwartungsgemäss durchaus gut und in einigen Elementen gelingen Okamoto auch durchaus originelle Szenen. Dagegen stehen jedoch Szenen wie jene, in der der Protagonist durch das örtliche Bordellviertel irrt, auf der Suche nach einer Prostituierten mit der er sein "erstes Mal" erleben will und durch die aus den Fenster schauenden Prostituierten überall an die Schreckgespinste aus den Erzählungen seiner Kumpanen erinnert fühlt. Das soll lustig sein ist es aber nicht. Im Gegenteil wirken diese und jene andere Szene in der - in einen Mythos verbrämt - sich am Strand eine Art Massenvergewaltigung abspielt, einfach nur geschmacklos und ungebrochen chauvinistisch.
Dazu ist der Film insgesamt in seiner Episodenhaftigkeit zu unkonzentriertund wirkt dadurch trotz seiner vergleichsweise kurzen 116 Minuten zu lang.
Sehenswert ist "Nikudan" für dessen Produktion sich Okamoto Urlaub von seiner Arbeit mit der Produktionsgesellschaft Toho nahm und dessen Produktion er nur mit Mühen selbst finanziert hat. Wie sehr Okamoto in dem Film eigene Erlebnisse verarbeitet hat, zeigt sich in zahlreichen Details des Films angefangen beim Alter des Protagonisten, das dem Okamotos im August 1945 entspricht.
Hier findet man ausserdem ein Interview, das Peter High 1977 mit Okamoto führte.
orcival
13. März 2007
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Es ist ein seltsamer Film, den Jean Renoir da mit "La fille de l'eau" gedreht hat.
Äusserlich besteht die Handlung darin, dass Gudule (gespielt von Renoir damaliger Frau Catherine Hessling) nach dem Tod ihres Vaters, durch ihren brutalen Onkel in eine Reihe von Notlagen gestürzt wird.
Der Film ist jedoch eher eine Folge von Sequenzen als stringent verbunden.
Viele Elemente von Renoirs Filmen der 30er Jahre wie z.B. "Partie de champagne" sind in "La fille de l'eau" schon angelegt. Mit "Partie de champagne" verbindet den Film unter anderem die Art wie Renoir slapstickhafte Elemente in eine nicht-komödiantische Handlung integriert; oder auch die Art und Weise wie die Natur in die Handlung einbezogen wird.
Es überrascht, wie sehr Renoir bereits in "La fille de l'eau" Bilder von grosser räumlicher Tiefe erzeugt, obwohl ihm das Kamera-technische Mittel der Schärfentiefe für die es der stärkeren Scheinwerfer bedurfte, die erst mit verstärkten Etablierung des Technicolor Farbverfahrens entwickelt wurden, noch nicht in dem Masse zur Verfügung stand wie er es beispielsweise in "La regle du jeu" nutzt.
Kurz gesagt: Technisch ist dieser Film brilliant. Seien es die schnellen Schnitte, die in einigen Sequenzen stark den Verdacht erwecken, Eisenstein könnte hier ein Vorbild gehabt haben; sei es der sehr graphische Bilder generierende Lichteinsatz.
Vollends überwältigt von Renoirs und Jean Bachelets (Kamera) Kunst wird man spätestens in der berühmten Traumsequenz, die Gugule in einer Nacht unter offenem Himmel im Fieber durchlebt. Tricktechniken, innovativer Lichteinsatz und und und....
Der Film mag also seine Schwächen haben, was die Handlung angeht, aber die ästhetischen Qualitäten machen ihn auf alle Fälle zu Pflichtprogramm für jede(n), die/der ein Herz für die frühen Jahre des Films hat.
Der Film ist auf einer DVD erhältlich auf der sich neben "Sur un air de charleston" auch Renoirs Adaption des berühmten Märchens über das Mädchen mit den Schwefelhölzern von Hans Christian Andersen "La petite marchande d'allumettes" findet.
In Renoirs Adaption nehmen die surrealen Fieberträume des Mädchens, in denen sie in der bunten Warenwelt eines Spielzeugladens lebt, während sie am Erfrieren ist eine gute Hälfte des Films ein.
Auf diese Weise verstärkt Renoir die im Märchen eher beiläufige Gegenüberstellung der Innenwelt des Mädchens mit der für sie so unerfreulichen Aussenwelt. Durch einige weitere Details vermeidet es Renoir, das Märchen zum Rührstück verkommen zu lassen.
orcival
13. März 2007
(0 Shpiel)
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Endlich ist es soweit: Karov La Bajit (Close to Home), über den ich ja hier schon schrieb, läuft auch in Deutschland an.
Auf der Website des Films findet sich hier neben anderen Infos eine Liste der Kinos in denen dieser wirklich äusserst sehenswerte Film läuft.
Das ist vor allen anderen dem mitosfilm Verleih zu verdanken, die wie ich auf deren Website gesehen habe ab dem 26. April auch Hiner Saleems (Kilometre zero) neuen Film "Dol" ins Kino bringen.
Als kleines Schmankerl zu "Close to home" meinerseits verweise ich auf Rachel Papos Fotostrecke zu Frauen in der israelischen Armee: hier
orcival
7. März 2007
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"Beaufort" adaptiert ein Buch von Ron Leshem und schildert eine israelische Eliteeinheit im Jahre 1985, die unter Beschuss der Hizbollah die Festung Beaufort für den Abzug vorbereiten soll. Auf den ersten Blick scheint der Plot also den alten Anti-Kriegsfilmstoff "Einheit wird zum sinnlosen Halten einer Stellung verdonnert und aufgerieben" nahezulegen und es ist Cedars Leistung, dass "Beaufort" eben das nicht ist.
Der Film ist weder Kriegsfilm noch Antikriegsfilm, und irgendwie liegt es nahe, gerade in dieser Zwischenstellung, die durchaus auch Argumente gegen den Libanonkrieg von 1985 gelten lässt, die Mission aber nicht verwirft, den israelischen Film wiederzuerkennen. So geht es Cedar gerade nicht um einseitige Parteinahme, sondern eher um die Situation der Soldaten, die unter diesen Bedingungen Dienst tun, und die Spannungen zwischen ihnen, die sich aus der Eingeschlossenheit und Fragwürdigkeit der Mission ergeben.
Es gelingt Cedar in "Beaufort" die Actionelemente mit den psychologischen in einer Weise zu vermengen, dass dabei ein Film herauskommt, der zwischen Kammerspiel in der vergrösserten Kammer der Festung und Kriegsfilm die Balance hält.
Ästhetisch ist "Beaufort" mit seinen nüchternen, stellenweise fast dokumentarischen Bildern, die mit ihren eher fahlen Farben dezent die 80er Jahren anklingen lassen, aber auch des Plots wegen näher an "Ha-hesder" als an "Campfire".
Andererseits lässt sich die zeitliche Ansiedelung von "Beaufort" nur zwei drei Jahre nach der Handlungszeit von "Campfire" wohl auch so lesen, dass die 80er Jahre in Israel eine Zeit wichtiger Diskussionen waren, Cedar hat darauf anlässlich von "Campfire" in zahlreichen Interviews hingewiesen.
Die Enttäuschung, die aus einigen Besprechungen während der Berlinale herauszulesen war, dürfte einiges damit zu tun haben, dass die (implizite) Erwartung an den Film wohl war, sich als Narrativ über die Ereignisse des Sommers lesen zu lassen. Und nichts tut Cedars Film weniger.
orcival
19. Februar 2007
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Nach "Fabulous!" auf der letzten Berlinale nun also "Schau mir in die Augen, Kleiner!". Die starken Momente des Films gehören John Waters. Wie er da in wunderbar schnatteriger Weise, 35 Jahre schwule Geschichte erzählt und dabei durch den Gemüsegarten der schwulen Filmgeschichte streicht, das bringt immer wieder Episoden hervor, bei denen man sich wünscht, es möge doch endlich nach Joseph F. Lovetts "Gay Sex in the 70s", der eher die schwule Stadtgeschichte von New York zum Thema hat, eine Film über einzelne Momente der schwul-lesbisch-queeren Filmgeschichte geben.
Die interessantesten Abschnitte des Films gehören denn auch zum einen dem deutschen schwul-lesbischen Kino der frühen 70er Jahre mit einem grossartigen Ausschnitt aus einer Pressekonferenz mit Fassbinder (Fassbinder (nuschelt): "Es ging mir da eigentlich vor allem um Gefühle..."; Pressemensch:"Worum?"; Fassbinder (nachdrücklich): "Ge-füh-le.") und jenen Episoden mit Tilda Swinton und Stephen Frears zu politischen Effekten ihrer Filme in Thatchers Grossbrittanien.
Eher konventionell gerät dann der Durchgang durch das zunächst vor allem schwule Kino der 80 und dann das schwul-lesbische der 90er Jahre.
Eine vertane Chance ist, dass der Film die Anstösse von Angelica Maccarone über lesbische Beziehungen in "Fremde Haut" und Alex und Sylvia Sichel ("All over me"), die auf die Frage des Verhältnis von schwul-lesbischem Kino und queerem Kino hinweisen, nur mit einem eher launischen Interviewausschnitt mit Wieland Speck aufnimmt.
Überhaupt beschränkt sich der Film leider auf Filme, die explizit und im Film schwul-lesbische Themen thematisieren. Ausgeblendet bleibt etwa das weite Feld der Aneignung originär daraufhin angelegter Filme durch das Publikum.
So bleibt der Film wie gesagt stets etwas oberflächlich und eklektisch, und erfreut nur durch die Interviews mit Menschen, denen man zumeist einfach gern zuhört.
orcival
17. Februar 2007
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(Aufführung in der Deutschen Oper)
Vor allem klanglich ist die Begleitung durch Orchester und Live Sound Effekte eine - im doppelten Sinne - Verfeinerung des Films. Gegenüber den üblichen Begleitmusiken bei Stummfilmen ist dies wesentlich präziser und die Bandbreite der Klangerlebnisse breiter.
Dies gilt um so mehr als es sich bei "Brand Upon the Brain" eben einen zeitgenössischen Film handelt und die nichtfilmischen Ingredenzien eben gerade einen eigenständigen Wert haben, stärker als dies bei vielen Begleitmusiken zu klassischen Stummfilmen der Fall ist.
Das einzige Manko ist, dass das Sound Effekt Squad dem Orchester auf weiten Strecken nicht nur ob der Faszination die Show stiehlt, sondern auch in Hinsicht der Lautstärke eher etwas zu laut war.
Maddins Film geling es in grossartiger Weise Elemente der Bildsprache des Stummfilms zu nutzen, um auch in der Erzählstruktur in einer Logik arbeiten zu können, die im Medium des modernen Tonfilms so wohl nicht funktionieren würde. Die Durchwebung des Films mit Elementen von Psychoanalytik und frühen Detektivsequels lockert gleichzeitig in ansprechender Weise den "Gender Trouble" auf, der den Plot weit über eine Hommage, wie sie etwa Maddins famoser Kurzfilm "The Heart of the World" darstellt, hinaus auf und schafft eine Analytik im Bild wie sie eben nur Stummfilme vermögen.
Die Spektakelhaftigkeit der Aufführung andererseits und die Abweichungen Maddins von der Stummfilmästhetik transformieren dabei ihrerseits die Fremdheit des Stummfilms, dessen Bildsprache oft erst die seither erfolgten visuellen Konditionierungen erfahrbar macht, in eine artifizielles Filmerleben, dass neben allem Vergnügen immer auch Distanz ermöglicht.
Gerade auch das Aufeinandertreffen von Kino- und Opernpublikum und die sichtliche Überfordertheit von Teilen des Personals der Deutschen Oper, lassen hoffen, dass diese Art der Verunsicherung Schule macht.
orcival
16. Februar 2007
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Antonio Banderas: El Camino de los Ingleses
[internationaler Titel: Summer Rain]
Ich wollte diesen Film nicht sehen. Ich hab ihn aber doch gesehen. Leider.
Manchmal passiert es während der Berlinale einfach, dass man plötzlich eine Lücke im Programm hat, und weil die Zeit nicht zum Kinowechsel reicht und der Kontakt mit der Welt dort draussen, wo dieses komische Licht ist, eher verwirrt bleibt man dann als Schuster bei seinen Leisten - in diesem Fall im Kino - und guckt inmitten von "AAnnnnnttttooooonnnniioooooooooooooooooooooo" kreischenden Fanatikerinnen den neuen Film von Antonio Banderas (als "Regiesseur").
Miguel kommt nach einer Operation bei der ihm eine Niere entfernt wurde aus dem Krankenhaus und erlebt mit seinen Freunden einen einzigartigen Sommer. Das ist im grossen ganzen der Plot. Was der Film also hätte werden können ist einer dieser Filme über eine bestimmte Zeit, mit der man ein Gefühl verbindet, das danach weg war. Kennt man, kommen meist keine guten Filme bei raus, aber "Garden State" etwa konnte daraus immerhin gutes Popcornkino machen.
Banderas schwafelt vorher von Träumen und schon da weiss man eigentlich, dass er den Film vergurkt hat. Popcorn + vermeintlicher Anspruch = Kitsch.
Grob eingeteilt zerfällt der Film in zwei Teile: die ersten vierzig-fünfzig Minuten gehören dem Rudelfick, der nur unterbrochen wird, um ein paar homophobe Schrüchlein einzustreuen, damit Banderas behaupten kann, er hätte einen Film übers "Mannsein" gedreht. In diesem Teil wird die heterosexuelle Matrix in genormter Vulgarität ins Bild gesetzt das man irgendwann nur noch lachen kann.
Das wiederum ist ein guter Einstieg in Teil 2, denn nun wirds zu allem Überfluss auch noch dramatisch. Miguel will nämlich Poet werden. Und was tut ein Poet, den sich Antonio Banderas ausgedacht hat? Er terrorisiert seine Umwelt durch krampfhaftes Abspulen von Dante Zitaten. Man wünschte sich, dass es der Trend zum Zweitbuch in das Drehbuch des Films geschafft hätte. Dieses vollkommmen unmotivierte Absondern von Dantezitaten führt bisweilen zu Szenen, die wirklich gut wären, wären sie denn beabsichtigt. Sie sind es nicht.
Und wie der "Plot" nichts taugt, so ist auch die Bildsprache von einer affektierten Exaltiertheit, die an Almodovar ohne Talent gemahnt. Man muss wohl Fan sein, um diesen Film ertragen zu können...
PS: Die Stills sind nicht so schlimm wie der Film.
orcival
16. Februar 2007
(0 Shpiel)
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